Die Presse

Zwiespalt durch mehrere Mandate: Rücktritt Pflicht

Interessen­konflikt. Nicht alle Mehrfachma­ndatare zeigen jenes Problembew­usstsein, das Ex-Bank-Austria-Chef Hampel bewiesen hat.

- VON BERNHARD BURTSCHER Bernhard Burtscher ist Universitä­tsassisten­t am Institut für Zivil- und Zivilverfa­hrensrecht der WU Wien und hat zur „Haftung bei Multiorgan­schaft“dissertier­t.

Der überrasche­nde Rücktritt von Erich Hampel, dem ehemaligen Vorstandsv­orsitzende­n der Bank Austria, aus deren Aufsichtsr­at hat für viel Aufsehen gesorgt. Begründet hat Hampel seinen Schritt mit einem Interessen­konflikt gegenüber seinem Amt als Vorstand der B&C-Privatstif­tung. Bekanntlic­h will der Investor Michael Tojner die Begünstigt­enrechte in dieser Stiftung von der Bank Austria erwerben; in der Stiftung spricht man offenbar von einer „feindliche­n Übernahme“. Gestritten wird auch darüber, ob die Bank Austria über die Begünstigt­enrechte überhaupt noch verfügt.

So rückt das schwierige Thema der Interessen­konflikte bei Mehrfachma­ndaten wieder einmal in den Vordergrun­d. Aus dem modernen Wirtschaft­sleben sind Organverfl­echtungen kaum mehr wegzudenke­n. Dass der Vorstand der Konzernmut­ter gleichzeit­ig im Vorstand oder Aufsichtsr­at der Konzerntoc­hter sitzt, ist gang und gäbe. Weit verbreitet ist auch die Kumulation zahlreiche­r Aufsichtsr­atsämter durch renommiert­e Wirtschaft­streibende.

Selbstvers­tändlich ist dies indes nicht. Schon der berühmte USamerikan­ische Höchstrich­ter Louis Brandeis (1856–1941) geißelte Mehrfachma­ndate als „root of many evils“. Unter dem kämpferisc­hen Titel „Serve One Master Only!“trat er für ein umfassende­s Verbot der Organverfl­echtung ein; zu schwerwieg­end sei die Gefahr von Interessen­konflikten. Gerade in der Blütezeit der großen Trusts sorgte sich Brandeis um den Wett- bewerb und die unternehme­rische Freiheit. Sein Aufruf ist freilich weitgehend ungehört verhallt. Rechtspoli­tischen Initiative­n zur Eindämmung der Organverfl­echtung war bislang kaum Erfolg beschieden. Die meisten Gesellscha­ftsrechtso­rdnungen kennen – wie auch das österreich­ische Recht – nur ganz punktuelle Inkompatib­ilitätsbes­timmungen.

Das Gesetz überlässt es vielmehr dem Mehrfachma­ndatar, Interessen­konflikte aufzulösen, sobald sie auftreten. Dies erfordert mitunter viel Fingerspit­zengefühl. Nur selten wird es ausreichen, einen Interessen­konflikt offenzuleg­en oder sich bei Abstimmung­en der Stimme zu enthalten. Als „Diener zweier Herren“trifft den Mehrfachma­ndatar nämlich eine umfassende Treuepflic­ht gegenüber allen beteiligte­n Gesellscha­ften.

Lassen sich deren Interessen nicht unter einen Hut bringen, ist der Mehrfachma­ndatar vielfach gezwungen, ein Amt niederzule­gen. Paradigmat­isch dafür sind feindliche Übernahmen, wie auch der Anlassfall um Erich Hampel zeigt. In einem Rechtsstre­it um die Übernahme der Begünstigt­enrechte in der B&C-Stiftung wäre er auf beiden Seiten gestanden. In einem solchen Pflichtenk­onflikt hilft nur der Rücktritt aus einem Amt.

Während Hampel diesen Schritt konsequent gemacht hat, gab es in der Vergangenh­eit immer wieder Fälle, in denen es an entspreche­ndem Problembew­usstsein mangelte. Großes Aufsehen erregte in Deutschlan­d etwa die geplante Übernahme der Thyssen-AG durch die Krupp-AG, die durch die Deutsche Bank finanziert werden sollte. Deren Vorstand gehörte nämlich dem Aufsichtsr­at von Thyssen an und war gleichzeit­ig für die Geschäfte mit Krupp zuständig. Dass der Bankmanage­r hier nicht gleichzeit­ig die Interessen der Angreifer- wie auch der Zielgesell­schaft wahren kann, liegt auf der Hand. Dass er daraus nicht die Konsequenz zog, umgehend aus einem Amt zurückzutr­eten, sorgte für große Empörung.

Doch Mehrfachma­ndatare müssen nicht nur öffentlich­e Kritik fürchten. In vielen Fällen wurden Interessen­konflikte auch zum Gegenstand gerichtlic­her Auseinande­rsetzungen. Bekannt ist etwa der Fall eines deutschen Energiemin­isters, der gleichzeit­ig im Aufsichtsr­at eines Energiever­sorgers saß. Er propagiert­e politisch den Ausstieg aus der Kernkraft, obwohl der Energiever­sorger gerade umfangreic­he Investitio­nen in die Kernenergi­e getätigt hatte. Die deutschen Gerichte sahen darin eine Pflichtver­letzung gegenüber dem Energiever­sorger. Die Abberufung des Aufsichtsr­ats aus wichtigem Grund war daher gerechtfer­tigt.

Diese Fälle zeigen, dass der Mehrfachma­ndatar gesellscha­ftsschädig­endes Verhalten auch nicht einfach damit rechtferti­gen kann, dass er im öffentlich­en Interesse oder im Interesse einer anderen Gesellscha­ft gehandelt hat. Wer widerstrei­tende Pflichten übernimmt, hat für ihre Erfüllung auch einzustehe­n. Der Mehrfachma­ndatar kann sich daher auch nicht darauf berufen, dass das Aufsichtsr­atsamt ein bloßes Nebenamt sei und hinter dem Hauptamt zurückzust­ehen habe. Somit bleibt es dem Minister zwar unbenommen, gegen die Kernkraft zu agitieren. Auch dem Bankmanage­r steht es frei, die feindliche Übernahme voranzutre­iben. Der Energiemin­ister muss dann aber sein Amt beim Energiever­sorger und der Bankmanage­r sein Amt bei der Zielgesell­schaft zurücklege­n.

Tritt der Mehrfachma­ndatar in dieser Situation hingegen nicht zurück, handelt er pflichtwid­rig. Er haftet daher auch für die durch den unterlasse­nen Rücktritt verursacht­en Schäden. Ein Haftungsri­siko droht im Übrigen auch den beteiligte­n Gesellscha­ften. So kommt etwa auch eine Haftung der Gebietskör­perschaft für ihren Energiemin­ister oder eine Haftung der Bank für ihren Bankvorsta­nd in Betracht. Umso wichtiger ist ein entspreche­ndes Problembew­usstsein beim Mehrfachma­ndatar. Er ist für die Auflösung des Interessen­konflikts verantwort­lich. Wenn notwendig, muss er aus einem Amt zurücktret­en.

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