Zwiespalt durch mehrere Mandate: Rücktritt Pflicht
Interessenkonflikt. Nicht alle Mehrfachmandatare zeigen jenes Problembewusstsein, das Ex-Bank-Austria-Chef Hampel bewiesen hat.
Der überraschende Rücktritt von Erich Hampel, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Bank Austria, aus deren Aufsichtsrat hat für viel Aufsehen gesorgt. Begründet hat Hampel seinen Schritt mit einem Interessenkonflikt gegenüber seinem Amt als Vorstand der B&C-Privatstiftung. Bekanntlich will der Investor Michael Tojner die Begünstigtenrechte in dieser Stiftung von der Bank Austria erwerben; in der Stiftung spricht man offenbar von einer „feindlichen Übernahme“. Gestritten wird auch darüber, ob die Bank Austria über die Begünstigtenrechte überhaupt noch verfügt.
So rückt das schwierige Thema der Interessenkonflikte bei Mehrfachmandaten wieder einmal in den Vordergrund. Aus dem modernen Wirtschaftsleben sind Organverflechtungen kaum mehr wegzudenken. Dass der Vorstand der Konzernmutter gleichzeitig im Vorstand oder Aufsichtsrat der Konzerntochter sitzt, ist gang und gäbe. Weit verbreitet ist auch die Kumulation zahlreicher Aufsichtsratsämter durch renommierte Wirtschaftstreibende.
Selbstverständlich ist dies indes nicht. Schon der berühmte USamerikanische Höchstrichter Louis Brandeis (1856–1941) geißelte Mehrfachmandate als „root of many evils“. Unter dem kämpferischen Titel „Serve One Master Only!“trat er für ein umfassendes Verbot der Organverflechtung ein; zu schwerwiegend sei die Gefahr von Interessenkonflikten. Gerade in der Blütezeit der großen Trusts sorgte sich Brandeis um den Wett- bewerb und die unternehmerische Freiheit. Sein Aufruf ist freilich weitgehend ungehört verhallt. Rechtspolitischen Initiativen zur Eindämmung der Organverflechtung war bislang kaum Erfolg beschieden. Die meisten Gesellschaftsrechtsordnungen kennen – wie auch das österreichische Recht – nur ganz punktuelle Inkompatibilitätsbestimmungen.
Das Gesetz überlässt es vielmehr dem Mehrfachmandatar, Interessenkonflikte aufzulösen, sobald sie auftreten. Dies erfordert mitunter viel Fingerspitzengefühl. Nur selten wird es ausreichen, einen Interessenkonflikt offenzulegen oder sich bei Abstimmungen der Stimme zu enthalten. Als „Diener zweier Herren“trifft den Mehrfachmandatar nämlich eine umfassende Treuepflicht gegenüber allen beteiligten Gesellschaften.
Lassen sich deren Interessen nicht unter einen Hut bringen, ist der Mehrfachmandatar vielfach gezwungen, ein Amt niederzulegen. Paradigmatisch dafür sind feindliche Übernahmen, wie auch der Anlassfall um Erich Hampel zeigt. In einem Rechtsstreit um die Übernahme der Begünstigtenrechte in der B&C-Stiftung wäre er auf beiden Seiten gestanden. In einem solchen Pflichtenkonflikt hilft nur der Rücktritt aus einem Amt.
Während Hampel diesen Schritt konsequent gemacht hat, gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle, in denen es an entsprechendem Problembewusstsein mangelte. Großes Aufsehen erregte in Deutschland etwa die geplante Übernahme der Thyssen-AG durch die Krupp-AG, die durch die Deutsche Bank finanziert werden sollte. Deren Vorstand gehörte nämlich dem Aufsichtsrat von Thyssen an und war gleichzeitig für die Geschäfte mit Krupp zuständig. Dass der Bankmanager hier nicht gleichzeitig die Interessen der Angreifer- wie auch der Zielgesellschaft wahren kann, liegt auf der Hand. Dass er daraus nicht die Konsequenz zog, umgehend aus einem Amt zurückzutreten, sorgte für große Empörung.
Doch Mehrfachmandatare müssen nicht nur öffentliche Kritik fürchten. In vielen Fällen wurden Interessenkonflikte auch zum Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Bekannt ist etwa der Fall eines deutschen Energieministers, der gleichzeitig im Aufsichtsrat eines Energieversorgers saß. Er propagierte politisch den Ausstieg aus der Kernkraft, obwohl der Energieversorger gerade umfangreiche Investitionen in die Kernenergie getätigt hatte. Die deutschen Gerichte sahen darin eine Pflichtverletzung gegenüber dem Energieversorger. Die Abberufung des Aufsichtsrats aus wichtigem Grund war daher gerechtfertigt.
Diese Fälle zeigen, dass der Mehrfachmandatar gesellschaftsschädigendes Verhalten auch nicht einfach damit rechtfertigen kann, dass er im öffentlichen Interesse oder im Interesse einer anderen Gesellschaft gehandelt hat. Wer widerstreitende Pflichten übernimmt, hat für ihre Erfüllung auch einzustehen. Der Mehrfachmandatar kann sich daher auch nicht darauf berufen, dass das Aufsichtsratsamt ein bloßes Nebenamt sei und hinter dem Hauptamt zurückzustehen habe. Somit bleibt es dem Minister zwar unbenommen, gegen die Kernkraft zu agitieren. Auch dem Bankmanager steht es frei, die feindliche Übernahme voranzutreiben. Der Energieminister muss dann aber sein Amt beim Energieversorger und der Bankmanager sein Amt bei der Zielgesellschaft zurücklegen.
Tritt der Mehrfachmandatar in dieser Situation hingegen nicht zurück, handelt er pflichtwidrig. Er haftet daher auch für die durch den unterlassenen Rücktritt verursachten Schäden. Ein Haftungsrisiko droht im Übrigen auch den beteiligten Gesellschaften. So kommt etwa auch eine Haftung der Gebietskörperschaft für ihren Energieminister oder eine Haftung der Bank für ihren Bankvorstand in Betracht. Umso wichtiger ist ein entsprechendes Problembewusstsein beim Mehrfachmandatar. Er ist für die Auflösung des Interessenkonflikts verantwortlich. Wenn notwendig, muss er aus einem Amt zurücktreten.