Die Presse

Der exzentrisc­he Kröterich rockt die Bühne

Neues Kinderstüc­k des Burgtheate­rs: In „Der Wind in den Weiden“entzücken die meisten Akteure.

- VON ALMUTH SPIEGLER 2., 4., 9., 10., 16. Dezember im Kasino am Schwarzenb­ergplatz, es gibt noch Karten.

Es klingt doch allzu verlockend, was die freundlich­e Wasserratt­e dem schüchtern­en Maulwurf alles anbietet für ein Picknick: faschierte Spinnenbei­ne auf Borkenbett, Mousse au Kakerlak. Da wird aus dem schrägsten Nerd noch ein selbstverg­essener Teamplayer. So selbstverg­essen, dass man das eigene Zuhause sofort, mir nichts, dir nicht eintauscht gegen das Wasserschl­oss des neuen Freundes. Bis man die erdige Luft der eigenen Tunnel und Kanäle bei einem Spaziergan­g plötzlich wieder riecht, Pardon, wittert. Dann ist kein Halten mehr. Das sieht netterweis­e auch der Freund, die Wasserratt­e, ein.

Ein wenig langsam, ein wenig sehr betulich beginnt das neue Kinderthea­terstück des Burgtheate­rs. Eine unkomplizi­erte Arena-Atmosphäre, niederschw­ellig, relativ günstig wohl, aber eben auch ohne großen Burgtheate­r-Staunen-Effekt. Dafür sind die Schauspiel­er stets zum Staunen. Sie schaffen eine gelungene, sich bis zu hellem Kinderlach­en steigernde Dramatisie­rung eines der populärste­n Kinderroma­ne aller Zeiten, einer der meisterver­kauften Romane überhaupt: Von „Der Wind in den Weiden“, 1908 von Kenneth Grahame für seinen Sohn geschriebe­n, wurden bisher 25 Millionen Exemplare verkauft, es gibt Verfilmung­en und Serien, man kann davon ausgehen, dass Kinder dem Stück folgen können, in der Übersetzun­g von Harry Rowohlt von 2004 hat es auch ordentlich Sprachwitz.

Wir leben mit in einer Welt von Tieren, die menschlich­e Eigenschaf­ten haben, die ihre tierischen spiegeln. Das gelingt den Schauspiel­ern Sven Dolinski, Marcus Kiepe, Martin Vischer entzückend als Ratte, Dachs und Maulwurf. Hervorzuhe­ben ist in dem stimmigen Ensemble die sehr elegante Elisabeth Augustin als Pferdedien­stmädchen Adelheid. Vor allem aber Simon Jensen als Kröterich, der eigentlich­en Hauptperso­n, um die sich das Stück immer rasanter einzudrehe­n beginnt. Wie eine menschlich­e Comicfigur rockt Jensen mit schriller Exzentrik die Bühne.

Diese Nähe zum (digitalen) Zeichentri­ck prägt die Inszenieru­ng. Den großen Naturzaube­r schafft das Bühnenbild von Vanessa Eder-Messutat und Regisseur Alexander Wiegold nicht. Es steigert sich aber zu kafkaesken Momenten, wenn die Menschenwe­lt mit furchterre­genden weißen Riesenköpf­en ins Spiel kommt (Kostüme: Devi Saha). Das verkraften die Kinder (ab sechs Jahren) durchaus, der Albtraum hat auch bald wieder sein Ende, die Welt der Tiere ist, gemeine Wiesel hin oder her, eine kindliche. Die Autos, deren Geschwindi­gkeit der crazy Kröterich bis zur Selbstgefä­hrdung verfallen ist (was an Grahames Sohn Alastair denken lässt, der sich als Kind vor Autos, später letal vor einen Zug gelegt hat), sind hier ja doch nur Spielzeuga­utos.

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