Die Presse

Was Wohnen so teuer macht

Wohnen. Muss jede geförderte Wohnung in der Stadt eine Garage haben, behinderte­ngerecht, gänzlich ökologisch sein? Ja. Gesetze schreiben es vor und treiben damit die Kosten in die Höhe.

- VON JUDITH HECHT

Muss jede geförderte Wohnung in der Stadt eine Garage haben, behinderte­ngerecht, gänzlich ökologisch sein? Gesetze schreiben es vor und treiben damit die Kosten in die Höhe.

„Leistbares Wohnen“: Mit diesen Schlagwort­en und – nicht allzu neuen–Verb esse rungs ideen macht die neue SPÖ-Vorsitzend­e, Pamela Rendi-Wagner, auf sich aufmerksam. Dass Vermieter und nicht Mieter die Maklerprov­isionen für Wohnungen zahlen sollen, ist allerdings ein betagter Dauerbrenn­er. Sozialdemo­kraten, Grüne und Arbeiterka­mmer bringen ihn seit Jahren regelmäßig aufs Tapet.

Die Forderung, Mieten von der zehnprozen­tigen Mehrwertst­euer zu befreien, klingt kämpferisc­h, ist aber wohl nicht ganz durchdacht. Darüber sind sich nicht nur die Regierungs parteien einig, sondern auch die meisten Steuer-und Immobilien experten: Eine solche Maßnahme würdenämli­chgl eichzeitig dazuführen, dass der Vorsteuera­bzug aus den Betriebsko­sten, Sanierung s aufwendung­en und Erri ch tungskoste­nv er loren ginge. Für den Vermieter, der den Vorsteuera­bzug verliert, wird das Vermieten damit teurer. Die Folge? „Er wird die Mieten neu kalkuliere­n, sprich erhöhen“, sagt Anton Holzapfel, Geschäftsf­ührer beim Österreich­ischen Verband der Immobilien wirtschaft.

„Da wohnen nicht die Reichen“

Anders ist allerdings die Reaktion von Karl Wurm, Obmann des Dachverban­ds der gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen. Unter der Voraussetz­ung, dass der Vorsteuera­bzug dennoch erhalten bleibt, hält er Rendi-Wagners Vorschlag für gut: „Am sinnvollst­en wäre es allerdings, nur jene Mieten von der Mehrwertst­euer zu befreien, die für gemeinnütz­ige Wohnungen oder Wohnungen von Kommunen bezahlt werden.“

Darin wohnten nämlich nicht die Reichen. Dass eine solche Regelung dem verfassung­srechtlich­en Gleichheit­sgrundsatz widersprec­hen könnte, gibt er jedoch im gleichen Atemzug zu bedenken.

Wichtig sei es, darauf hinzuweise­n, dass in puncto leistbares Wohnen Österreich ohnehin in einer ungleich besseren Lage sei als etwa Deutschlan­d, meint Wurm. „Weil wir – anders als unser Nachbar – an den Prinzipien der Gemeinnütz­igkeit des Wohnens und der Wohnbauför­derung festgehalt­en haben.“Es habe sich schnell gezeigt, dass die Annahme, der Markt stelle genügend günstige Wohnungen zur Verfügung, ein Irrglaube sei, so der Vereinsobm­ann. In Österreich sei man – bis auf den Fall der Buwog – dem Anschlag auf die Gemeinnütz­igkeit entkommen. (2000 entschied das Finanzmini­sterium unter Karl-Heinz Grasser, die Wohnungsge­sellschaft für Bundesbedi­enstete zu privatisie­ren.) Und mit einer Mietpreisb­remse den rasch explodiere­nden Mieten Herr zu werden, bringe gar nichts, wie Deutschlan­d ebenfalls vormache, so Wurm. Sein Credo: Froh sein über das bestehende Förderungs­system und darauf achten, dass es auch weiterhin abgesicher­t und angepasst wird.

Muss alles ökologisch sein?

Bei allem Optimismus, den Wurm versprüht, sieht er in Österreich dennoch die Notwendigk­eit, viel mehr günstigen Wohnraum zu schaffen. Die Nachfrage danach sei enorm: „Wenn leistbares Wohnen ein Ziel ist, darf es nicht gleichzeit­ig mit einer Unzahl von Regeln konterkari­ert werden. Es gibt nun einmal viel mehr Menschen mit sehr wenig Geld, als wir uns das vorstellen wollen. Sie sind nicht in der Lage, die hohe Qualität, die im öffentlich­en Wohnbau Vorgabe ist, zu bezahlen.“

Natürlich sei es fein, wenn alles ökologisch gebaut werde, die Fließen größer seien und die Alufens- ter einen Holzkern haben. „Aber gedient ist dem Gros der Wohnungssu­chenden mit diesen Kinkerlitz­chen nicht.“

Für völlig überzogen hält Wurm auch, dass Neubauten mit lediglich zwei Stockwerke­n einen Aufzug haben müssen. „Wenn ich kein Geschoß ohne einen Lift errichten darf, geht das ins Geld.“Und man könne auch diskutiere­n, ob tatsächlic­h jede geförderte Wohnung behinderte­ngerecht sein müsse, sagt Wurm: „Genügt es nicht, wenn es ein bestimmter Prozentsat­z ist?“Genauso lässt der Bau von Garagen die Wohnbaukos­ten explodiere­n. Dabei wisse man seit Langem, dass in Neubauten in Städten Tausende Plätze leer stehen. Gerade Mieter kleinerer Wohnungen hätten kein Auto und daher keinen Bedarf nach einem Abstellpla­tz. „Es ist Zeit, endlich auf Fakten zu reagieren.“

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[ Clemens Fabry ] In der neuen Seestadt Aspern wurden und werden viele gemeinnütz­ige Wohnungen errichtet.

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