Auch als begeisterndes E-Auto gelten für den Jaguar I-Pace die Beschränkungen seiner Technologie.
Stromablesung.
Bislang wurde mehr oder minder fröhlich im Nebel gestochert, doch je konkreter sich die Vorstellungen von einer elektrisch angetriebenen Autozukunft verdichten, desto deutlicher nehmen auch Risken und mögliche Nebenwirkungen Gestalt an. Heilserwartungen müssen wohl, auf kurz oder lang, fundierten Einwänden in der Diskussion Platz einräumen. Beispielsweise in der Frage des Recyclings – auf dem Gebiet von Lithium-Ionen-Akkus findet dummerweise so gut wie keines statt, und es gibt absehbar auch kein Modell dafür.
Schlimm genug angesichts Millionen von Kleingeräten, die weltweit täglich unverwertet im Müll landen, wo immer der dann verbrannt oder vergraben wird – aber was dereinst tun mit Traktionsbatterien, von denen eine einzige so viele Rohstoffe verbaut hat wie Tausende Smartphones? Selbst wenn sie ausrangiert als Pufferspeicher ein zweites Leben in bessergestellten Haushalten finden, bringt das die Rohstoffe noch nicht zurück.
Oder der Schwenk vom strahlenden Heilsbringer, wie er als gefeierter Star-Unternehmer im klimarettenden Edelstromer vorfährt, in die düstere, durch und durch mittelalterliche Realität der Kobalt-Abbaugebiete Afrikas: nicht der einzige harte Kontrast, auf den man sich schon einstellen darf.
Man könnte auch nicht behaupten, dass sich die Energiebilanz von E-Autos – also die anfallenden Kohlendioxidmengen von der Herstellung bis zum Gebrauch – verbessert, je genauer man hinschaut. Eher im Gegenteil.
Einem Gezerre aus Hoffnung und Ernüchterung sah sich denn auch die Autoindustrie ausgesetzt, das erklärt zum Teil ihr Zögern. Die Politik hat ihr die Nichtentscheidung mittlerweile abgenommen: Massenweise Akkus und E-Moto- ren einbauen, in welcher Bauart auch immer („mild“, Plug-in, batterieelektrisch), und man hat fürs Erste seine Ruh. Der frische Schwung einer Alternativtechnologie könnte das Geschäft beleben, wenn man’s geschickt anstellt. Das ist ein bisschen wie Apotheken, die sich Homöopathie hereinholen.
In beneidenswerter Lage befindet sich Jaguar. Als sich dort unvermutet ein Fenster öffnete, mit einem State-of-the-art-Konzept in Vorlage zu gehen, hat CEO Ralf Späth Courage bewiesen. Hinter dem I-Pace steht dem Vernehmen nach ein zweistündiges Gespräch zwischen ihm und Ex-BMW-Technikvorstand Wolfgang Ziebart, der mit einem ausgereiften Plan vortrat, dann war das Projekt auf Schiene. Mit allen erforderlichen Mitteln, wenn auch sparsam eingesetzt, und mit der Risikoabstützung einer ausgelagerten Produktion bei Magna in Graz.
Glücklich, wer sein Haupt in die Kopfstützen eines I-Pace bet-
L/B/H: 4682/2011/1565 mm. Radstand: 2990 mm. Leergewicht: 2208 kg. Kofferraum: 656 bis max. 1453 Liter.
E-Motor (synchron-permanent erregt) jeweils an Vorder- und Hinterachse. Leistung max.: 294 kW (400 PS). Drehmoment max.: 696 Nm. Akkukapazität: 90 kWh (Li-Ionen). 0–100 km/h in 4,8 sec. Vmax: 200 km/h. Reichweite laut WLTP-Norm: bis 470 km. Reichweite im Test: 280–340 km.
ab 78.380 Euro. ten darf. Dort ist es gut aufgehoben, denn die Beschleunigungsattacken aus dem Nichts, als Attraktion für zwischendurch mit einem mittelstarken Tritt ins Fahrpedal aufgeboten, suchen ihresgleichen. PS-protzende Sportwagen tun gut daran, Ampelduellen fernzubleiben. Elektroautos, zumal mit Allradtraktion ausgestattet wie der I-Pace, beherrschen die Disziplin der Kraftentfaltung einfach besser, nämlich ebenso geschmeidig wie auf Wunsch brachial. Zur Demut ist man dann ohnehin auf der Fernfahrt verdammt, und dazu darf man schon Wien–Graz zählen. Das schafft der Jaguar, wenn man mit vollen Akkus – bei uns waren 320 km Reichweite angezeigt – losfährt und sich an Wolfgang Ziebart hält, der sagt, man solle den I-Pace fahren wie ein ganz normales Auto. Deshalb beschränken wir uns eben nicht auf 110 km/h in der ersten Spur, sondern stellen den Tempomaten auf das erlaubte Limit, oder einen Hauch drüber.
Weil es kalt ist, muss geheizt werden – eine gewaltige Leistung, diese dahinrasende Kuppel bei null Grad Außentemperatur schön behaglich zu halten, ohne Energie oder Abwärme eines Verbrennungsmotors nutzen zu können. Insofern hält man spätestens bei Graz nach einer Lademöglichkeit Ausschau. E-Auto heißt Reiseplanung, im Idealfall verbindet man das Nützliche (Laden) mit dem Angenehmen (Einkehren, Yoga, Meditieren). Findet man einen 50-kWh-Anschluss, kann die Jause kurz ausfallen, nach einer halben Stunde ist man wieder im Rennen für eine nennenswerte Etappe. Auch wenn es noch wenige Ladesäulen geben mag, so sind diese in aller Regel unbesetzt – insofern goldene Zeiten für E-Automobilisten, das dürfte sich bald ändern.
Selbstredend ist der I-Pace mit allem Komfort der Luxusklasse befrachtet, erweitert um drei Meter Radstand bei handlichen 4,68 m Länge – ein Packaging, das kein konventionelles Auto schafft.