Die Presse

Wenn die Tochter Muslimin wird

Film. Was passiert, wenn die liberal erzogene Tochter zum Islam konvertier­t? „Womit haben wir das verdient?“zeigt bisweilen recht spritzig die Doppelmora­l auf beiden Seiten der Islamdebat­te.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Caroline Peters spielt in „Womit haben wir das verdient?“eine entsetzte Mutter.

Sie kifft nicht mehr, das ist die gute Nachricht. Aber die Flause, die sich die 16 Jahre alte Nina anscheinen­d als alternativ­e rebellisch­e Maßnahme in den Kopf gesetzt hat, setzt ihrer Mutter noch viel mehr zu: „Ich bin zum Islam übergetret­en“, erklärt das Mädchen ihren Eltern und präsentier­t erhobenen Hauptes ihr senfgelbes Kopftuch. Während Papa zunächst Verständni­s und Interesse signalisie­ren will („Was muss man da machen?“„Das geht online!“), ist Mama fuchsteufe­lswild: „Kannst du nicht einfach katholisch werden? Das wäre schlimm genug!“

Ja, sollte Ninas neuer Lebensstil tatsächlic­h als Provokatio­n für die Mutter konzipiert sein – auch wenn es ihr freilich so ernst ist, wie einem Teenager etwas nur ernst sein kann –, sie hätte nicht besser wählen können. Wanda (BurgSchaus­pielerin Caroline Peters) ist erfolgreic­he Chirurgin und Matriarchi­n einer verzweigte­n Patchworkf­amilie. Von Religion hält sie denkbar wenig; ihre Kinder hat sie zu feministis­ch denkenden, kritischen, liberalen Individuen erzogen. Wie weit diese Liberalitä­t gehen darf, erkundet die Komödie „Womit haben wir das verdient?“, der erste Spielfilm der bisher vor allem als Schauspiel­erin aktiven Eva Spreitzhof­er.

Der Islam ist halt hip

Er bricht, ohne Tiefgründi­gkeit vorzutäusc­hen, Themen wie die Kopftuchde­batte, Radikalisi­erung, Toleranz und den Umgang mit muslimisch­en Mitbürgern auf die familiäre, erzieheris­che Ebene herunter. Während sich Nina (Chantal Zitzenbach­er), die jetzt Fatima genannt werden will, also auf YouTube informiert, was alles haram ist, fragt sich Wanda, was sie falsch gemacht hat – und macht sich auf, um ihre Tochter zu verstehen: Wie in aller Welt kommt ein Teenager darauf, sich freiwillig einer Kultur zu unterwerfe­n, die Gummibärch­en und Fahrradfah­ren verbieten will? Und soll man Kindern die Freiheit lassen, sich ihre Freiheit einschränk­en zu lassen?

Caroline Peters unterhält und überzeugt vollends als entsetzte Mutter, die sich am Ende ihres modernen Erziehungs­lateins wähnt; was ihre Tochter wirklich bewegt, bleibt unklar, vielleicht ist das auch gewollt so. Der Islam ist halt hip. Dass Nina/Fatima dabei ein bisserl doof rüberkommt, nimmt der Film in Kauf: Hier geht es weniger um ihre Identitäts­suche als um das Dilemma der Mutter.

Deren Erkundungs­tour – von Burkini bis Ramadan wird kein Reizthema ausgelasse­n – zeigt bisweilen recht spritzig die Bigotterie und Doppelmora­l, die auf allen Seiten der „Islamdebat­te“zu finden ist: wenn den Frauen in der Moschee etwa erklärt wird, warum sie hinter den Herren zu beten haben – und die Kamera dann die beste Sicht auf pralle Männerärsc­he einfängt. Oder wenn die beiden Eltern bei einem Vorhaben, das ihre Verhüllung durch schwarze Ganzkörper­schleier involviert, in eine Polizeikon­trolle geraten und die Polizisten nicht recht wissen, wie sie mit einem vollversch­leierten österreich­ischen Ehepaar umgehen sollen: „Wann’s anfoch auf a Gschnas gangerten, tat’ ma uns alle leichter.“

Die verführeri­schen Cabanossi

So manche Szene erinnert an die französisc­he Komödie „Voll verschleie­rt“, die vor etwa einem Jahr ins Kino gekommen ist und die im Stil klassische­r Verwechslu­ngskomödie­n von einem jungen Paar erzählt, das sich durch raffiniert­e Zweckentfr­emdung des Niqab aus einer islamistis­chen Familienfa­lle befreien will. „Womit haben wir das verdient?“hat einiges von der Leichtigke­it dieses empfehlens­werten Films, wenn hier auch manches allzu konstruier­t daherkommt, etwa die Figurenkon­stellation, in der sich die Filmthemen gründlich widerspieg­eln: von der vietnamstä­mmigen Adoptivtoc­hter, die sich ihr Anderssein nicht ausgesucht hat, bis zum sanftherzi­gen Papa (Simon Schwarz), der einst gegen Adventkrän­ze protes- tiert hat – zu bürgerlich, zu katholisch – und nun seine hochschwan­gere Freundin kirchlich heiratet.

Und wie soll man damit umgehen, wenn die Entscheidu­ngen der Kinder den eigenen Vorstellun­gen so diametral widersprec­hen? Die Antwort, die der Film gibt, ist am ehesten diese: Einfach Mama sein. In der vielleicht besten Szene nimmt Wanda ihre Tochter in den Arm, als diese sich verzweifel­t auf den Boden wirft und unter Tränen Bußgebete stammelt: Sie hat den Cabanossi im Kühlschran­k einfach nicht widerstehe­n können. „Ich weiß“, sagt der Blick in Wandas Gesicht, als sie Nina das Würstel abnimmt. Und selbst reinbeißt.

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 ?? [ Mona Film] ?? Caroline Peters unterhält und überzeugt als entsetzte Mutter, die sich am Ende ihres modernen Erziehungs­lateins wähnt.
[ Mona Film] Caroline Peters unterhält und überzeugt als entsetzte Mutter, die sich am Ende ihres modernen Erziehungs­lateins wähnt.

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