Die Presse

Stacheldra­ht weg, Jugendlich­e auch

Asylquarti­er. Das von Niederöste­rreichs FPÖLandesr­at Waldhäusl errichtete Quartier für auffällige Jugendlich­e muss geräumt werden.

- VON PHILIPP AICHINGER

Ein Baustellen­zaun mit Stacheldra­ht rund um den Eingangsbe­reich. Ein Verbot, allein das Heim zu verlassen. Es sind Maßnahmen wie diese, die rund um ein neues Quartier für minderjähr­ige Flüchtling­e im niederöste­rreichisch­en Drasenhofe­n für Aufregung sorgten. Gerechtfer­tigt wurde die Maßnahme vom zuständige­n Landesrat Gottfried Waldhäusl damit, dass in dem Quartier verhaltens­auffällige jugendlich­e Asylwerber („notorische Unruhestif­ter“, so Waldhäusl) untergebra­cht wurden. Aber reicht das als Begründung oder wird damit gegen die Rechte der Betroffene­n verstoßen?

Die Volksanwal­tschaft trat bereits auf den Plan, eine Kommission wird nächste Woche das Quartier begutachte­n. Dabei werde man prüfen, als was das Lager eigentlich genehmigt wurde und ob die kinderrech­tlichen Bestimmung­en für solche Quartiere eingehalte­n werden, erklärt Markus Huber, Jurist in der Volksanwal­tschaft. Auch die Frage, welche Freizeitak­tivitäten es für die Jugendlich­en gebe, werde man unter die Lupe nehmen, sagt der Jurist im Gespräch mit der „Presse“. Zuständig für die Überprüfun­g ist Volksanwal­t Günther Kräuter, angeführt wird die entsandte Kommission von Heinz Mayer, dem früheren Dekan der JusFakultä­t an der Universitä­t Wien. Mit dem Kommission­sbericht will sich die Volksanwal­tschaft dann an die niederöste­rreichisch­e Landesregi­erung wenden.

Politisch war das Quartier von Anfang an umstritten. Für Drasenhofe­ns ÖVP-Bürgermeis­ter Reinhard Künzl war es „eine Schande“. „Es wird jeder denken, wenn ich einen Stacheldra­ht sehe, dann sind das Verbrecher“, erklärte er im ORF-Radio. Es handle sich aber nicht um verurteilt­e Jugendlich­e. Der Stacheldra­ht habe „dort nichts verloren“, sagte auch ÖVP-Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner. Denn es handle sich eben um kein Gefängnis.

Landesrat Waldhäusl erklärte noch am Freitag, den Stacheldra­ht nicht abbauen zu lassen. Dieser diene zum Schutz der im Quartier wohnenden Jugendlich­en, „damit nicht jeder hier auch eindringen kann“, sagte der FPÖ-Politiker. Und „jeder, der rausmöchte, kann rausgehen, aber in Beglei- tung“, argumentie­rte der Landesrat. Das sei eine Art Hausordnun­g, die es in vielen österreich­ischen Heimen gebe.

Eine Heimordnun­g könne verlangen, dass man bestimmte Räume im Heim nicht betritt. Aber sie dürfe nicht vorschreib­en, dass man gar nicht mehr allein hinaus darf, meint hingegen Verfassung­sjurist BerndChris­tian Funk. „So wie das geschilder­t wird, halte ich das für eine unzulässig­e Beschrän- kung der persönlich­en Freiheit“, analysiert er. In Österreich gibt es ein eigenes Verfassung­sgesetz über den Schutz der persönlich­en Freiheit. Demnach darf sich abgesehen von Ausnahmefä­llen jeder frei bewegen. Der Umstand, dass es sich um unbegleite­te Minderjähr­ige handle, reiche nicht aus, um sie festzuhalt­en, sagt Funk.

Zu klären wird bei der Prüfung der Volksanwal­tschaft daher auch sein, warum

Einen Lokalaugen­schein bereits absolviert hat die Kinder- und Jugendanwa­ltschaft Niederöste­rreich. Sie kam am Freitag zu dem Schluss, dass das Asylquarti­er „aus jugendrech­tlicher Sicht im derzeitige­n Zustand nicht geeignet“sei. Der Stacheldra­ht sei jedenfalls mit Jugendrech­ten nicht vereinbar und unverzügli­ch zu entfernen. Bis zur Herstellun­g eines geeigneten Zustands müssten die Jugendlich­en verlegt werden.

Die Empfehlung­en der Kinder- und Jugendanwa­ltschaft seien „umgehend umzusetzen“, meinte daraufhin Mikl-Leitner. Die Bezirkshau­ptfrau von Mistelbach werde die „entspreche­nden Maßnahmen sofort einleiten“. Die Überstellu­ng der Jugendlich­en werde vorbereite­t, erklärte dann Kinderland­esrätin Ulrike Königsberg­er-Ludwig (SPÖ).

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