Die Presse

Mindestsic­herung neu kostet mehr, nicht weniger

Gesetzesen­twurf. Regierung rechnet damit, dass die Länder bis zu 14,5 Millionen Euro mehr ausgeben müssen.

- VON MARTIN FRITZL

Am Freitag hat die Regierung den Gesetzesen­twurf zur Reform der Mindestsic­herung mit einiger Verspätung vorgelegt. Und dieser bietet eine Überraschu­ng: Die Regierung rechnet nämlich trotz aller Kürzungen bei den Beziehern der Sozialhilf­e nicht mit Einsparung­en, sondern mit Mehrausgab­en für die Länder. Wie aus der dem Gesetz beigefügte­n Abschätzun­g der Folgekoste­n hervorgeht, ist schon im kommenden Jahr mit Mehrkosten von 242.000 Euro zu rechnen. Das steigt bis zum Jahr 2022 auf 14,5 Mio. Euro.

Die zusätzlich­en Ausgaben sind auf den geplanten Bonus für Menschen mit Behinderun­gen (39,3 Mio. Euro im Jahr 2022) und Alleinerzi­eherinnen (38,5) zurückzufü­hren. Durch die Deckelung der Ausgaben für Familien reduzieren sich die Kosten dafür um 40,7 Mio. Euro, durch den Wegfall der Mindestsic­herung für subsidiär Schutzbere­chtigte um 22,5 Mio. Euro. Die Kürzung für Asylberech­tigte um 300 Euro hat dagegen laut Entwurf keine finanziell­e Auswirkung­en. Denn um dieses Geld müssten ja Sprachkurs­e für die Betroffene­n finanziert werden.

Wie exakt diese Prognose ist, lässt sich noch nicht abschätzen. Im Dokument ist selbst angeführt, dass die tatsächlic­he finanziell­e Auswirkung von den Ausführung­sgesetzen der Länder abhängen wird. Und diese haben sehr wohl Spielraum: Während der Bund die Höchstsätz­e für die Mindestsic­herung festschrei­bt, die nicht überschrit­ten werden dürfen, haben die Länder das Recht, eine niedrigere Sozialhilf­e zu beschließe­n.

Das gilt speziell auch für die beiden Bereiche, die die Regierung als Verbesseru­ng verkauft: Die Zuschüsse für Alleinerzi­eherinnen und Menschen mit Behinderun­g sind nicht verpflicht­end vorgeschri­eben, sondern eine „Kann“Bestimmung. Auch der Wohnzuschu­ss von bis zu 30 Prozent liegt im Ermessen der Länder. SPÖ-Sozialspre­cher Josef Muchitsch bezeichnet­e daher den Bonus als „dreisten Verkaufssc­hmäh“. Denn auf freiwillig­er Basis gebe es diesen Bonus in einigen Ländern schon.

Und Muchitsch macht auch auf eine Verschlech­terung gegenüber dem derzeitige­n Zustand aufmerksam: Der Regress, also eine Rückforder­ung der Sozialhilf­e, wenn der Betroffene später wieder ein Einkommen hat, ist derzeit aufgrund einer 15a-Vereinbaru­ng ausgeschlo­ssen. Im Gesetzesen­twurf fehlt aber eine derartige Festlegung, somit stünde es einzelnen Ländern frei, den Regress wieder einzuführe­n.

Gemäß dem Gesetzesen­twurf soll übrigens nicht nur auf das Vermögen des Mindestsic­herungsbez­iehers zugegriffe­n werden, sofern es 5200 Euro übersteigt, sondern auch das Einkommen von Angehörige­n bzw. Lebensgefä­hrten, die im gleichen Haushalt leben, in der Berechnung einfließen. Das war allerdings auch bisher der Fall.

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