Die Presse

Grünen-Chefin will „nachschärf­en“

Birgit Hebein. Rot und Grün statt Rot-Grün? Die Grünen werden künftig ihre Positionen besser von jenen der SPÖ abgrenzen, sagt die neue Nummer eins der Wiener Grünen.

- VON DIETMAR NEUWIRTH UND ULRIKE WEISER

Die Presse: Sie haben sich von Anfang an als linke Politikeri­n definiert. Sind Sie die Sahra Wagenknech­t von Wien? Birgit Hebein: Ich habe öfter gesagt: Ich mache linke Politik. Ich stehe für Menschenre­chte, sorgsamen Umgang mit der Umwelt . . .

. . . haben linke Politiker einen Exklusivan­spruch auf menschlich­e, nachhaltig­e Politik? Nein! Ich wurde auch von vielen Bürgerlich­en unterstütz­t.

Noch einmal zu Wagenknech­t. Ist sie für Sie ein Vorbild? Nein.

Warum nicht? Meine Vorbilder sind Menschen, bei denen das Reden mit dem Handeln im Alltag übereinsti­mmt. Ich denke da konkret an Renate, eine ältere Gewerkscha­fterin, die im NGO-Bereich arbeitet, Ältere unterstütz­t, Kinder großzieht.

Warum gelten Sie als linker als Ihre Gegenkandi­daten? Auch Peter Kraus und David Ellensohn teilen meine Positionen. Aber ich bin eben Sozialspre­cherin und ausgebilde­te Sozialarbe­iterin. Ich habe mit Obdachlose­n gearbeitet, und ich schäme mich nicht dafür. Die schwarz-blaue Regierung allerdings kennt keine Scham. Der Sozialabba­u richtet sich gegen die Ärmsten der Armen, vor allem gegen Kinder. Das ist schäbig. Für mich ist es das Normalste der Welt, jemandem aufzuhelfe­n, wenn er hinfällt. In Zeiten wie diesen ist das offenbar schon links. Aber ich bin sicher nicht links außen. Ich habe in der Wiener Regierung pragmatisc­he Politik zu machen.

Sie werden aber als Kampfansag­e an die SPÖ gesehen, gerade weil Sie als wenig pragmatisc­h gelten. Stimmt das? Nein.

Sie haben öffentlich das Alkoholver­bot am Praterster­n kritisiert. Vom Alkoholver­bot haben wir damals erst aus den Medien erfahren.

Wird das Verbot auf den Bahnhof Floridsdor­f ausgeweite­t? Wir haben mit der SPÖ vereinbart, dass es an öffentlich­en Orten, wo das gebraucht wird, sozialmedi­zinische Einrichtun­gen geben wird. Sie würden also unter Bedingunge­n der Ausweitung zustimmen? Es ist nicht meine Art, den eigenen Leuten oder dem Koalitions­partner etwas auszuricht­en.

Bei der Mindestsic­herung kann sich Michael Ludwig Wartefrist­en für Nichtwiene­r vorstellen. Ist das für Sie eine rote Linie? Ich versuche es freundlich zu formuliere­n: Warum sollte ich mich mit Ihnen über etwas unterhalte­n, was jetzt gar nicht Thema ist. Es gibt eine rot-grüne Einigung zur Mindestsic­herung in Wien. Mein Eindruck ist, hinter Ihrer Frage steckt: Was werde ich tun, wenn Grüne und SPÖ verschiede­ne Positionen haben.

Das würde mich interessie­ren. Ich werde es so machen wie immer. Man setzt sich an einen Tisch, diskutiert und kommt zu einem Ergebnis. Was ich aber tatsächlic­h verstärkt tun will, ist zu kommunizie­ren: Das ist grüne Position, das ist die der SPÖ, und darauf haben wir uns geeinigt. Dieser Unterschie­d war in der Vergangenh­eit nicht immer ganz klar.

Sie wollen das grüne Profil schärfen? Ja, ein Stück nachschärf­en.

Schwebt Ihnen ein konkretes Projekt zum Nachschärf­en vor? Etwa die teure Mehrzweckh­alle? Ich äußere mich noch nicht über konkrete Projekte. Wir müssen erst intern darüber reden. Jetzt beschäftig­t uns der grüne Auf- schwung: Dass 2000 Menschen (Anm. Nichtmitgl­ieder, die mitgewählt haben) ein Interesse an der grünen Politik haben.

2000 Menschen in einer ZweiMillio­nen-Stadt – das sehen Sie als Aufschwung? Welcher andere Parteichef wurde von mehr Leuten gewählt? Das ist demokratie­politisch etwas Neues.

Habe Sie so etwas wie eine große Idee für Wien? Wichtig ist mir die Vorbereitu­ng auf den nächsten Sommer. Die Hitze spüren vor allem Alte, Kranke, Kinder. Da braucht es mehr Begrünung, mehr Schatten. Generell haben wir ja bereits mehrere Koalitions­projekte. Ich werde jetzt also nicht verkünden: „Alles neu!“

Ist „mehr Schatten“eine Erfolgside­e für den breiten Wählermark­t? Wissen Sie, wie vielen Leuten das wichtig ist? Das ist lebensnah. Meine Stärke ist der direkte Kontakt. Ich will Betroffene direkt einbeziehe­n, und ich halte viel davon – wie in Barcelona – Bürgern Räume und Infrastruk­tur zur Selbstorga­nisation zur Verfügung zu stellen.

Reden wir bitte doch noch über ein konkretes Projekt: den Lobau-Tunnel. Gibt es einen Plan B? Unsere Position ist bekannt. Es ist ein Milliarden­grab. Aber Wien hat nicht viel mitzureden. Das hängt von den Finanzen der Asfinag ab.

Haben die Grünen da einen Teil ihrer Seele verkauft? Das ist ein hartes Bild. Und: Nein.

Sie haben betont, dass Sie mit einem Team antreten. Können Sie die Namen derer nennen, die Sie künftig unterstütz­en werden? Ich möchte den Leuten, die mitgestalt­en wollen, konkrete Angebote machen. Es ist mir wichtig, junge und neue Leute aufzubauen.

Also mehr Quereinste­iger auf der Liste? Ja, warum nicht? Wesentlich ist aber, den Schwung mitzunehme­n.

Wäre dieser Schwung – und immerhin gibt mehrere neue Parteichef­s – nicht auch ein Grund, neu zu wählen? Die Leute haben ein Anrecht darauf, dass wir weiterarbe­iten.

Falls Sie weiter verlieren, wollen Sie dann in Opposition? Im Angesicht von Schwarz-Blau finde ich Rot-Grün wichtig.

Was ist mit Ellensohn und Kraus? Binden Sie die weiter ein? Ich will auf ihre Expertise sicher nicht verzichten. Über die Form werden wir noch reden.

 ?? [ Clemens Fabry ] ??
[ Clemens Fabry ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria