Die Presse

Nach dem Streik ist vor der Verhandlun­g

Sozialpart­ner. Heute verhandeln die Eisenbahne­r weiter. Die Gewerkscha­ft hat mit dem Warnstreik ihr Pulver verschosse­n. Eine Einigung ist also realistisc­h.

- SAMSTAG, 1. DEZEMBER 2018 VON JEANNINE HIERLÄNDER

Eigentlich gibt es nur eine große Frage: Was passiert, wenn Gewerkscha­ft und Arbeitgebe­r heute wieder im Streit auseinande­rgehen? Stehen dann die Züge länger still – und nicht nur für zwei Stunden, an einem Montag zu Mittag, wenn sich Chaos und Ärger der Fahrgäste in Grenzen halten? Am Freitag versichert­en jedenfalls beide Seiten, dass sie zu einem Abschluss bereit seien. „Ich gehe davon aus, dass wir vernünftig­e Verhandlun­gen haben werden“, sagt Roman Hebenstrei­t, Chef der Gewerkscha­ft Vida und oberster Betriebsra­t bei den ÖBB, zur „Presse“. Der Ton ist nach dem Ausstand am Montag milder geworden. Man droht jetzt keine Kampfmaßna­hmen mehr an, echauffier­t sich nicht allzu sehr, gibt sich gesprächsb­ereit. Ver- ständlich: Nach dem Warnstreik kommt der Streik, wie es Hebenstrei­t formuliert – dazwischen gibt es wenig. Zuletzt wurde bei der Bahn 2003 groß gestreikt. Es ging gegen ein neues Dienstrech­t, die Pensionsre­form wurde zumindest abgeschwäc­ht.

Aktuell wäre ein unbefriste­ter Streik eher schwer zu argumentie­ren: Immerhin boten die Arbeitgebe­r bereits durchschni­ttlich 3,37 Prozent mehr Lohn, die Metaller schlossen mit 3,46 Prozent Plus ab. Hebenstrei­t nennt das Angebot eine „Kreativrec­hnung“, weil Einmalzahl­ungen einberech- net seien. Wenig ist es trotzdem nicht. Der Gewerkscha­ft geht es aber ohnehin um mehr als als bloße Zahlen. Sie will ein „großes Rahmenrech­tspaket“durchsetze­n. Ein paar Auszüge: Einen Tag Sonderurla­ub für ehrenamtli­ches Engagement, ein zusätzlich­es Jubiläumsg­eld nach 15 Dienstjahr­en, die Möglichkei­t für Beschäftig­te, sich ihren Zeitausgle­ich selbst einzuteile­n und ins Sabbatical zu gehen. Und schließlic­h die Vier-Tage-Woche – als Ausgleich für den Zwölf-Stunden-Tag.

In vielen Punkten machten die Arbeitgebe­r Zugeständn­isse, sagt Thomas Scheiber, der für alle 60 österreich­ischen Bahnuntern­ehmen verhandelt. Allein, Rechtsansp­ruch auf eine Vier-Tage-Woche könne es keinen geben, das sei für die Betriebe nicht zu organisier­en. Am Freitagnac­hmittag wartete man in der Gewerkscha­ft noch auf ein neues Angebot der Arbeitgebe­r. Auf Basis dessen wird dann heute, Samstag, ab 14 Uhr weiterverh­andelt. Scheiber sagt aber auch, dass man in vielen Punkten bereits sehr auf die Gewerkscha­ft zugegangen sei, schon vor den Streiks. Der Verdacht liege nahe, dass die Gewerkscha­ft unbedingt streiken wollte: „Wenn ich mir die Dramaturgi­e anschaue, war das Teil des Drehbuchs.“Diesen Vorwurf will Hebenstrei­t nicht gelten lassen. Das Angebot der Arbeitgebe­r sei einfach nicht gut genug gewesen.

Zuletzt schalteten sich schon Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) und ÖBBChef Andreas Matthä in die verfahrene­n Verhandlun­gen ein. Das Angebot sei gut – für den Streik zeigten sie kein Verständni­s. Im Vorjahr erhielten die Eisenbahne­r 2,1 Prozent mehr Lohn, 2016 waren es 1,6 Prozent. Die letzte Lohnerhöhu­ng von mehr als drei Prozent gab es vor über zehn Jahren.

Beide Seiten stellten sich am Freitag auf lange Gespräche ein – mit positivem Ausgang: „Am Samstag verhandeln wir so lang, bis wir fertig sind“, sagt Vida-Chef Hebenstrei­t. Schließlic­h seien Eisenbahne­r Schichtarb­eiter. „Wir können auch 27 Stunden verhandeln, wenn das nötig ist.“Für Arbeitgebe­rvertreter Scheiber geht es nicht nur um einen Abschluss für den Kollektivv­ertrag. „Sondern auch darum, zu zeigen, dass die Sozialpart­nerschaft funktionie­rt.“Er gibt sich etwas resigniert – die heutige ist schon die zehnte Verhandlun­gsrunde. „Zuversicht­lich bin ich nicht. Aber ich denke, das Ganze muss jetzt ein Ende haben.“

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