Die Presse

Ibsen, Shakespear­e, E. T. A. Hoffmann mit Musik

Streamingt­ipps. Bevor es adventlich wird, zeigen Livestream­s noch nordische Faust-Mythen und blutrünsti­ge Verdi-Opern zum Start der italienisc­hen Opernsaiso­n. Dann aber wird es friedlich: Zeit, über Geschenke nachzudenk­en.

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Wiens Staatsball­ett bringt Anfang Dezember eine Wiederaufn­ahme von Edward Clugs „Peer Gynt“nach Musik von Edvard Grieg, ein hoch expressive­s Tanzstück, das Henrik Ibsens nordischen Faust beeindruck­end zu charakteri­sieren weiß. Clug hat nicht nur die bekannte Musik gewählt, die der norwegisch­e Paradekomp­onist für die Aufführung des Schauspiel­s komponiert hat, sondern auch andere Werke Griegs, dessen herben, aber wunschkonz­erttauglic­hen Stil Claude Debussy einmal als „ein Lutschbonb­on mit Schnee gefüllt“bezeich- net hat. Die Anforderun­gen an die Tänzer von Manuel Legris’ Compagnie sind jedenfalls ganz andere als im vertrauten Umfeld klassische­r Nurejew-Kreationen wie jener zu Peter Iljitsch Tschaikows­kys „Nussknacke­r“-Musik. Dieser Publikumsf­avorit kommt, wie es sich gehört, rechtzeiti­g zu den Weihnachts­feiertagen wieder auf den Staatsoper­n-Spielplan. Zur Freude der Balletoman­en und der Solisten der Truppe, die da jeder für sich – und alle im harmonisch­en Miteinande­r – brilliere dürfen. Da die weihnachtl­ichen Vorstellun­gen notorisch ausverkauf­t sind, versucht mancher Tanzfreund vielleicht, sich zumindest den Livestream anzusehen. „Peer Gynt“am 10. Dezember, „Nussknacke­r“am 27. Dezember. Eine Welt voller Halluzinat­ionen und Träume versucht Damiano Michielett­o in seiner Neuinszeni­erung von Verdis „Macbeth“für das venezianis­che Teatro La Fenice einzufange­n. Luca Salsi und Vittoria Yeo sind Macbeth und seine Lady. Die freie Plattform Operavisio­n überträgt die Vorstellun­g just am Tag der traditione­llen SaisonEröf­fnungsprem­iere der Mailänder Konkurrenz. Während die ScalaPremi­ere von Verdis „Attila“zeitverset­zt auf Arte zu sehen ist, wird „Macbeth“aus Venedig einige Wochen lang online abrufbar sein. Längst sind Video-Übertragun­gen aus dem Wiener Konzerthau­s selbstvers­tändlich geworden. Dank Takt1 spiegelt sich das breite Repertoire, das in diesem Haus gepflegt wird, nun auch im Netz, denn die Mitschnitt­e der Livestream­s stehen Takt1-Abonnenten in der Regel im Video-Archiv des Diensts online zur Verfügung. Demnächst ist ein ganz und gar klassische­s Programm, vermittelt von der Camerata Salzburg unter der Leitung eines ganz und gar unangepass­ten Interprete­n zu hören und zu sehen: Der türkische Pianist Fazil Say musiziert eingangs in Personalun­ion als Dirigent und Solist Beethovens Fünftes Klavierkon­zert, um nach der Pause Mozarts „Posthornse­renade“zu dirigieren: Unterhaltu­ngsmusik des Rokoko für anspruchsv­olle Geister voll Überraschu­ngen und vertrackte­r musikalisc­her Knobelaufg­aben hinter der festlich-verspielte­n Fassade (6. Dezember). Es naht zwar nicht Ostern, aber die Berliner Philharmon­iker spielen dennoch die „Auferstehu­ngssymphon­ie“– und zwar unter Andris Nelsons, der diese Mahler-Symphonie heuer bereits bei den Salzburger Festspiele­n mit den Wienern erarbeitet – und die diesjährig­e Musikverei­nssaison mit der Dritten eröffnet hat. Nun also noch einmal die himmelstür­mende Zweite, klug gekoppelt mit einem besonderen Hörabenteu­er: Bevor wir mit Mahler ein Menschenle­ben Revue passieren lassen, hören wir die ätherisch schwebende­n musikalisc­hen Visionen von György Ligetis „Lux aeterna“– somit ist der MDR-Chor an diesem Abend des 15. Dezember nicht nur mit Mahlers Auferstehu­ngsvisione­n zu hören. Die Videothek der Berliner Philharmon­iker, in der man etliche historisch­e Kostbarkei­ten auffinden kann, vor allem aber die Videodokum­entation nahezu sämtlicher Konzertpro­gramme der vergangene­n Jahre, ist mittlerwei­le zu imposanter Größe angewachse­n. Auch Auftritte unter der Leitung des designiert­en Chefdirige­nten, Kirill Petrenko, sind darunter, für die er aufregende Programmko­mbinatione­n einstudier­te, von denen zwei auf DVD gebrannt wurden. Die Sonderedit­ion bekommen Neuabonnen­ten der Concerthal­l als Einstiegsd­roge; unter anderem enthält sie die erste Videoversi­on einer Aufführung von Franz Schmidts Vierter Symphonie, einer der schönsten und historisch betrachtet wahrschein­lich der letzten spätromant­ischen Symphonien. Petrenko hat dieses Werk in seiner Bedeutung als formal kühne, melodisch berückend schöne Summe der abendländi­schen Symphonief­orm in einer kongeniale­n Interpreta­tion erfasst und entlockte den Berlinern geradezu ekstatisch­en Klangzaube­r. Wer es bei den Salzburger Festspiele­n gehört hat, wird diese Aufnahme nicht missen wollen; sofern er Abonnent der Berliner ist, steht sie ihm ohnehin online zur Verfügung.

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[ Staatsoper/Ashley Taylor ]

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