Verdi kann sich nicht dagegen wehren
Kammeroper. Eine Art „Reader’s Digest“-Bearbeitung des „Don Carlos“mit dem Jungen Ensemble in orchestraler Sparversion: Nichts als ein billiger Fleckerlteppich.
Es hat seinen Charme, wenn VerdiKlänge auf der Piazza San Marco sich unter das Getümmel schummeln – von einem Salonorchester, etwas schräg, etwas schlampig . . . Es grenzt aber an grobe Fahrlässigkeit, wenn ein vorgeblich seriöses Musiktheater eine „grande opera“´ in einer orchestralen Sparversion in „salonisti“-Besetzung anbietet und dafür Eintritt verlangt.
Das Theater an der Wien hetzte in der Kammeroper sein Junges En- semble in ein „Don Carlos“-Projekt, das Verdis Meisterwerk malträtiert. Die französische Originalfassung des „Don Carlos“wurde vor Jahren in der Staatsoper von Bertrand de Billy und in der hinreißenden Inszenierung von Peter Konwitschny mustergültig aufgearbeitet. Was nun in der Kammeroper vorgeführt wird, könnte einem uninformierten Publikum als „Reader’s Digest“- oder Best-of-Version angeboten werden, es ist aber nur ein billiger Fleckerlteppich. Zusammengestrichen auf drei Stunden, weil auch alle Chorpassagen von den Bearbeitern, Panos Iliopoulos und Florian C. Reithner, eliminiert wurden.
Komplette Bilder wie das Autodafe´ fielen dem Rotstift zum Opfer. Übrig bleibt das Familiendrama, somit ein völlig anderes Stück, als Verdi und seine Librettisten im Sinn hatten. Die Dramaturgie stimmt ebenso wenig wie die zusammengestückelte Musik. Da erübrigt sich auch die Frage, ob mit oder ohne „Fontainebleau“-Akt: Als Art Traum- spiel hört man nur die Carlos-Arie und das Duett, den Chor gibt es ja nicht. Zum Einstieg davor eine Klarinettenskala, banaler geht es wohl nicht mehr.
In der handwerklich bescheidenen Inszenierung von Sebastian´ Dutrieux stehen sich die Sänger eher gegenseitig im Weg, als zu kommunizieren. Am Rand der Parodie der unvermittelte Auftritt von Don Carlos im „Königskabinett“: Er versucht Philippe zu erdolchen, denn der Jungregisseur möchte den Vater-Sohn-Konflikt auch nicht außer Acht lassen.
Was an musikalischer Untermalung gelingen kann, geht aufs Konto des tempiversierten Dirigenten Matteo Pais und des tapferen Wiener Kammerorchesters. Den meisten Jungsängern ist die Überforderung nachzufühlen. Einmal mehr fiel Kristjan´ Johannesson´ (Posa) gut auf, bewahrte Jenna Siladie (Elisabeth) Haltung, obwohl ihr die erste Arie genommen wurde. Andrew Owens (Don Carlos) wurde nach verheißungsvollem Beginn von einer Indisposition befallen. Ein trüber Abend.