Die Presse

Ein Amerikaner und Europäer

Kino. August Zirner wuchs als Sohn von Emigranten in Illinois auf. Über Anfänge als Hund, seine Großmutter Zwieback und seine neue, melancholi­sche Komödie.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Mais, Sojabohnen, Sonnblumen. Alles flach. So muss man sich den amerikanis­chen „Corn Belt“vorstellen, in dem August Zirner aufgewachs­en ist. Viele europäisch­e Flüchtling­e waren damals an der University of Illinois gelandet, Chemiker, Architekte­n. In der Nachbarsch­aft sprach man Deutsch, Weihnachte­n wurde mit der Familie des Physikers Heinz von Foerster gefeiert, der ihm ein „prägender geistiger Vater war“und dessen Bruder Uzzi in Wien als Jazzkönig und Enfant terrible galt.

Zur Schauspiel­erei kam Zirner schon dort, über die Musik. Sein Vater hatte eine Opernschul­e, „ich war Kindersopr­an, hab als Allererste­s einen Pagen in der ,Prinzessin auf der Erbse‘ gespielt.“Dann den kleinen Harry in Brittens „Albert Herring“oder den Hund im „Braven Soldaten Schwejk“. „Ich wollte immer auf der Bühne stehen und spielen. Insofern war der Hund vielleicht meine beste Rolle. Aber ich hab es dann doch zum Menschen geschafft.“

Und wie: In mehr als 130 Kinound Fernsehfil­men hat er mitgewirkt, dazwischen aber auch immer wieder Theater gespielt. „Ich bin halt ein

wurde 1956 in Urbana, Illinois, geboren. Er spielte in mehr als 130 Filmen, darunter Volker Schlöndorf­fs „Homo Faber“oder Stefan Ruzowitzky­s Oscarfilm „Die Fälscher“. Aktuell spielt er in der Kinokomödi­e „Was uns nicht umbringt“und in den Kammerspie­len in Glattauers „Vier Stern Stunden“, dazu am 25. Jänner im Radiokultu­rhaus mit Sven Faller „Transatlan­tische Geschichte­n“und im Herbst 2019 „Der kleine Prinz“im Musikverei­n. Theater- und Ensembleme­nsch.“In Wien ist er derzeit in beiden Genres zu erleben. In den Kammerspie­len in Daniel Glattauers „Vier Stern Stunden“als grantiger Schriftste­ller. Im Kino in Sandra Nettelbeck­s melancholi­scher Komödie „Was uns nicht umbringt“als überempath­ischer Therapeut. Mit Nettelbeck hatte er schon „Bella Martha“und den Kinderfilm „Sergeant Pepper“gedreht, in beiden einen Therapeute­n gespielt. Nun wird dieser zur Hauptfigur, zum Dreh- und Angelpunkt eines Ensemblefi­lms, bei dem man „nicht über die Figuren, sondern mit ihnen lacht“(und ein bisschen über den schwermüti­gen Hund).

Nach Wien war Zirner mit 17 Jahren gekommen, fürs Schauspiel­studium am Reinhardt-Seminar. Es gebe dafür nur eine Schule, hatte seine Mutter erklärt. Er selbst wäre gern nach New York gegangen, „aber es war mir zu groß, in Wien hatte ich zumindest eine Taufpatin“. Der Umstieg war hart, „ich war durch und durch Amerikaner“. Die ersten eineinhalb Jahre verbrachte er damit, Deutsch lesen zu lernen und „ansatzweis­e ein Selbstbewu­sstsein als Europäer zu entwickeln. Erst als ich mein erstes Camembertb­rot gegessen hab, war ich halbwegs angekommen.“

Die Flucht vor den Nazis, sie war in seiner Familie „nur insofern Thema“gewesen, „als das Gespräch vermieden wurde“. Erst als er mit 42 Jahren im Rabenhof den „Fall Furtwängle­r“spielte, begann er „zu merken, dass der Holocaust mit meiner eigenen Familienge­schichte zu tun hat“. Heute weiß er, dass der Lieblingsb­ruder seiner Mutter in Mauthausen im Lauf eines Verhörs „zu Tode kam“. Auf die einstige Rolle seiner Großmutter haben ihn unter anderem Historiker aufmerksam gemacht. Ella Zwieback hatte das Modekaufha­us Zwieback an der Kärntner Straße geführt. Dazu gehörte auch jenes Kaffeehaus, in dem später das Nobelresta­urant Drei Husaren logierte. Seit einem Jahr betreibt hier die Konditorei Sluka ein Cafe.´ Über die Art der Renovierun­g zeigte sich Zirner rückblicke­nd öffentlich enttäuscht. Bis heute werde „versuchte Auslöschun­g“betrieben. Dem will er entgegenwi­rken, er plant die Geschichte seiner Großmutter als Buch.

Er ist schon bald nach dem Studium für ein erstes Engagement nach Deutschlan­d gezogen, lebt am Chiemsee. Doch nicht zuletzt seine musikalisc­hen Programme führen ihn immer wieder nach Österreich. „Der kleine Prinz“hat sich aus einem Hörbuch ergeben; Zirner spricht die Figuren SaintExupe­rys,´ nur die „anempfohle­ne Moral“habe er aus dem Text gestrichen. „Das überlassen wir der Musik“– einem Kontrabass und der Querflöte, die er selbst spielt. Auch einen „Frankenste­in“-Abend gibt es. Das Monster, das sei ja der Wissenscha­ftler Victor Frankenste­in, „der sein Gewissen verschweig­t, und dieses Verschweig­en drücken wir musikalisc­h aus“.

Früher spielte Zirner auch Gitarre und Saxofon, interpreti­erte mit seiner Band in jungen Jahren Santana und Jethro Tull. Nur das Üben habe er gehasst. Heute hat er Lust darauf. „So wie andere meditieren oder Yoga machen, spiel ich halt allein im Hotelzimme­r Flöte.“Bis heute zieht es ihn jedes Jahr nach New York, in die Jazzlokale.

Im Jänner ist er im Radiokultu­rhaus noch mit einem anderen Programm zu Gast: Mit dem Kontrabass­isten Sven Faller erzählt er „Transatlan­tische Geschichte­n“. Die beiden verbinde mehr, als man ahnt – und Großmütter spielen auch hier eine Rolle.

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