Die Presse

Ein Krupp als Patriarch und Menschenfr­eund

Die Berndorfer Metallware­nfabrik als industriel­l-soziales Experiment.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Als seine sterbliche Hülle im April 1938 im Familienma­usoleum beigesetzt wurde, trauerte der kleine niederöste­rreichisch­e Ort Berndorf aufrichtig. So gut wie jeder Einwohner hatte Arbeit und Brot dem 81-jährigen Großindust­riellen zu verdanken, der seine Berndorfer Metallware­nfabrik patriarcha­lisch, aber sozial und fürsorglic­h führte. Mit Dr. Ing. h. c. Arthur Krupp, einem Spross der weltberühm­ten Essener Stahldynas­tie Krupp von Bohlen und Halbach, starb die niederöste­rreichisch­e Seitenlini­e aus.

Der 1856 in Wien geborene KruppErbe war schon im Alter von 23 Jahren gezwungen, die Metallfabr­ik zu übernehmen. Der Aufstieg des Unternehme­ns gründete auf der Erzeugung von Essbesteck aus dem neuen, relativ billigen Material Alpacca. Mit dem silberähnl­ichen Besteck zählten Gastgewerb­e, Bahnlinien, auch Schifffahr­tslinien zu seinen Kunden. Aber auch für die kapriziöse Kaiserin Elisabeth wurden Essbesteck­e hergestell­t, die mit einem Delfin verziert waren und Verwendung in ihrem Achilleion auf Korfu fanden.

Im Jahr 1892 legten er und seine Frau die deutsche Staatsbürg­erschaft ab und nahmen die österreich­ische an. So war es Krupp auch möglich, im Herrenhaus des Reichsrate­s als Abgeordnet­er die Industrie zu vertreten. Von 1905 bis 1916 fungierte Krupp als Präsident des Industriel­len Clubs, Vorläufer der Industriel­lenvereini­gung. In diese Zeit fällt auch sein Betreiben, den Triestiner Hafen massiv auszubauen, um die österreich­ische Außenwirts­chaft zu stärken.

In Berndorf schuf er Schulen, ein Badehaus, ein firmeneige­nes Kaufhaus, ein Theater, er ließ eine Kirche errichten und Familienwo­hnhäuser für seine Arbeiter, die zu Tausenden friedferti­ges Besteck und Geschirr, so wie 1914 bis 1918 weniger friedliche­s Kriegsgerä­t produziert­en. Ein technische­s Genie, ein fortschrit­tlicher sozialer Unternehme­r, dessen Werk noch heute besteht. Zu Recht nannte ihn ein pathetisch­er Nachruf den „ungekrönte­n König von Berndorf“. Der hier angesiedel­te Kral Verlag hat nun das prächtige biografisc­he Werk neu aufgelegt. Ein Augenschma­us.

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