Wien, Baden und der taube Hörer
Mit 2020 naht wieder so ein Jahr. Da feiern wir vor allem den 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens.
Dieser Ludwig van! Wahrscheinlich ist er einer der 25 außergewöhnlichsten und kreativsten Menschen, die je gelebt haben. Wien und dann auch Baden schmeicheln sich, die wichtigsten Orte für den Rheinländer gewesen zu sein.
Zugegeben, er war ungemein schwierig, nie sozusagen sozialisiert, dauernd verliebt und unverheiratet, als Komponist schon damals und sodann für alle nachfolgenden Musik-Generationen eine Art Gott. Es wird weltweit gelegentlich einen Overkill an Beethoveniana geben. Egal. Sein Werk sollte unendlich spannend bleiben.
Wien hat nun in seinen Kunst-Kultur-Ambitionen für Koordination und Themensammlung diese Zeit betreffend (in sowieso schon 13 Monaten) fein etwas institutionalisiert. Baden kämpft noch um Budgetmittel, doch man ist auf guten Wegen.
Für Wien aber wurde ein gut ausgestattetes Büro eingerichtet und eben eröffnet. Wien Beethoven 2020. Das Interesse aus den herkömmlichen Spielplätzen bis zu den Gestaltern im Innovativen für breiteste Schichten ist groß. „Beethoven für alle!“, auch bei Wiener Wohnen, am Donauinselfest und mehr, bis zur internationalen Vernetzung. Das ist toll.
Und dann? Dann bewirbt man dieses Wiener Beethoven-Festjahr (Beethoven wurde leider erst am 16. oder 17. Dezember geboren, was alle Verantwortlichen und Managerinnen und Intendanten vor ziemliche Probleme stellt und einfach die Feiersachen früher schon anheben lässt); dann bewirbt man also doch tatsächlich sein so vielfältiges Produkt folgendermaßen, was nach einer kurzen Schrecksekunde vielleicht sogar verblüffen wirkt: dann bewirbt man es nämlich mit HÖRT, HÖRT! (sic!).
Das passiert auf Foldern und in Korrespondenzen, durch Aufkleber und Sonstiges. Bitte! Dieser Ludwig van Beethoven war seine letzten rund zehn Lebens- jahre hindurch bereits völlig taub (auch wenn er währenddessen so Solitäres wie die Neunte, die letzte Klaviermusik, die Missa solemnis oder Streichquartette schrieb). Ja, dieser Ludwig van Beethoven begann bereits zu ertauben, als er knapp 22-jährig nach Wien übersiedelte.
Das allemal beklemmende Eigenzeugnis, das „Heiligenstädter Testament“ist bald eines der Brutalo-Zeugnisse dafür gewesen. Es war zugleich aber ein Aufschrei, den Beethoven noch oft – auch in Noten – formuliert hat. Beethoven war in seinem steten Hörverlust ein Schwerstbehinderter! Depressionen und Suizidgedanken waren die Folgen.
Ist es da wirklich vertretbar, auf diesen ganzen BeethovenZirkus mittels solch eines recht simplen, alten Versammlungsrumorens aufmerksam zu machen? Oder ist solch eine vordergründige Werbeaktion für das leidende Genie (Beethoven selbst dazu: „Dieser neidische Dämon“oder „Wie ein Verbannter muss ich leben“) nicht schon ziemlich degoutant?
Übrigens, neben Wien ist ja Baden (das sich – langsam erst – besinnt, dass das Beethoven-Jahr in ein paar Monaten starten wird) die zweite wichtige Beethoven-Stadt. Wir vergessen jetzt einmal, dass dort wichtige Stätten im Augenblick versauen und dass noch immer kein Konzept bestehen kann oder darf für dieses 2020.
Aber, man macht im Beethovenhaus schon seit einiger Zeit etwa Kinderführungen und Fremdenverkehrsangebote für den tauben Meister unter „Hört Beethoven!?“sowie aktuell ein Fundraising für das dortige halb kaputte Original-Hammerklavier unter „Beethoven erhören“– tatsächlich!