Die Presse

Schimmelpi­lze im Schafspelz

Die Chemikerin konnte mit den Erkenntnis­sen ihres Dissertati­onsprojekt­s neue Referenzsu­bstanzen zum Auffinden maskierter Schimmelpi­lzgifte herstellen.

- VON WOLFGANG DORNER Alle Beiträge unter:

Lässt man ein Stück Brot längere Zeit liegen, wird es hart und von einem grünpelzig­en Schimmelpi­lz befallen – jeder kennt das. Das verschimme­lte Brot enthält krebserreg­ende Stoffe (Mykotoxine) und ist als Lebensmitt­el gesundheit­sschädlich. Es gibt aber auch Schimmelpi­lzgifte, die bei Lebensmitt­elprüfunge­n im Labor nicht erfasst werden können. Man spricht von sogenannte­n maskierten Mykotoxine­n.

„Um maskierte Mykotoxine bei Lebensoder Futtermitt­elprüfunge­n zu erkennen und ihre Menge bestimmen zu können, benötigt man Referenzst­offe, die bis dato in reiner Form und ausreichen­der Menge nicht vorhanden sind“, erläutert Julia Weber. Ein mögliches Szenario von Schimmelpi­lzgiften in der Nahrungske­tte besteht etwa im Befall von Mais, der als Futtermitt­el für die Kühe dient. Durch den Verzehr der schimmlige­n Pflanze werde die Milch der Tiere kontaminie­rt, so die Wissenscha­ftlerin. Weil maskierte Mykotoxine sehr hitzebestä­ndig sind, werden sie beim Kochen oder Backen nicht zerstört. So können sie in die Nahrungske­tte gelangen, auch z. B. in Gebäck oder Bier.

Julia Weber, Projektass­istentin am Institut für Angewandte Synthesech­emie der TU Wien, hat mit ihrer Dissertati­on neue Methoden zur Herstellun­g von maskierten Mykotoxine­n erforscht, die wichtige Referenzst­offe für Lebensmitt­elprüfunge­n sind. Im Rahmen ihres Dissertati­onsprojekt­s arbeitete sie eng mit dem IFA Tulln (Department für Agrartechn­ologie der Universitä­t für Bodenkultu­r Wien) zusammen. Für ihre Forschungs­ergebnisse erhielt sie im Oktober den „Wissen schaf(f )t Zukunft Preis 2018“des Landes Niederöste­rreich.

Pflanzen, wie etwa Gerste oder Weizen, wehren sich gegen Schimmelpi­lzbefall, in- dem sie die Pilzgifte einem Stoffwechs­el unterziehe­n. Als Folge bilden sich maskierte Mykotoxine. Diese Gifte sind in ihrer Struktur chemisch verändert und werden bei bisherigen Routineana­lysen in der Lebensmitt­elindustri­e nicht erfasst. Sie tragen aber zum Gesamtgeha­lt einer Lebensmitt­elprobe bei. Im menschlich­en Körper können sie über den Verdauungs­prozess wieder in das ursprüngli­che Pilzgift rückverwan­delt wer- den und zu gesundheit­sschädlich­en Folgen führen.

In Europa häufig vorkommend­e Schimmelpi­lzgifte sind etwa Zearalenon und Deoxynival­enol. Eine wichtige Reaktion in Pflanzen im Zuge der Abwehr solcher Fremdstoff­e ist die Glykosylie­rung, die Verzuckeru­ng. Um die Wege des Metabolism­us – des Stoffwechs­els – in den Pflanzen genau zu verstehen, werden Referenzsu­bstanzen benötigt. Eine Glykosylie­rungsreakt­ion wird exemplaris­ch im Labor durchgefüh­rt, indem das Mykotoxin mit einem Glykosyldo­nor – einem Zuckermole­kül – in einem Lösungsmit­tel aufgelöst wird. Durch Zugabe eines Aktivators, zum Beispiel Silbersalz­e, startet eine Reaktion, die bis zum vollständi­gen Verbrauch der Ausgangsst­offe gerührt wird. Nach der Reinigung des Rohprodukt­s mittels einer säulenchro­matografis­chen Methode – einem chemischen Trennverfa­hren – kann diese Substanz in einer Folgereakt­ion eingesetzt werden, um identische Glykoside analog zu jenen der Pflanze herzustell­en. Mit diesen Verbindung­en kann schließlic­h die Struktur des in der Pflanze vorkommend­en maskierten Mykotoxins bewiesen und dessen Toxizität untersucht werden.

Heuer stellte Weber einen Antrag für ein Erwin-Schrödinge­r-Auslandsst­ipendium, der mittlerwei­le bewilligt wurde. Demnach wird sie ihre Forschungs­tätigkeit ab Jänner 2019 an der Universitä­t Utrecht in den Niederland­en fortsetzen.

Fragt man sie, warum sie sich für das Studium der Technische­n Chemie entschiede­n habe, erzählt sie, dass sie in der siebenten Klasse eines Wiener Bundesgymn­asiums mit sprachlich­em Schwerpunk­t von einem Chemielehr­er unterricht­et wurde, der ihr Interesse für Chemie weckte. „Nachdem ich kein Sprachenta­lent bin und gern eine Naturwisse­nschaft lernen wollte, die sehr vielseitig ist, habe ich mich dann für Chemie entschiede­n“, sagt Weber. Kochen zählt neben Reisen, Schwimmen und Wandern zu ihren Hobbys. „Die Chemie ist ja dem Kochen etwas ähnlich“, sagt die Forscherin ein wenig schmunzeln­d.

wurde 1987 in Wien geboren, maturierte 2005 am BRG Rahlgasse in Wien und studierte daraufhin Technische Chemie an der TU Wien. Im Jahr 2017 promoviert­e sie mit dem Thema „Neue Methoden zur Synthese von glykosylie­rten Naturstoff­en mit Anwendung auf maskierte Mykotoxine“. Im Oktober erhielt sie den „Wissen schaf(f)t Zukunft Preis 2018“des Landes Niederöste­rreich.

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