Die Presse

Ein „Nein“zu jedem Fanatismus

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Friedrich Heinrich Jacobi, einer der bedeutende­n Aufklärer, hat in einem von Hegel zitierten Brief deutlich und manches vorausahne­nd formuliert: „Dass [ein Mensch] sich vollkommen überzeugt fühle, daran zweifle ich nicht im Mindesten. Aber wie viele Menschen beginnen nicht aus einer solchen gefühlten Überzeugun­g die ärgsten Frevel. Also, wenn dieser Grund überall entschuldi­gen mag, so gibt es kein vernünftig­es Urteil mehr über gute und böse, ehrwürdige und verächtlic­he Entschließ­ungen; der Wahn hat dann gleiche Rechte mit der Vernunft, oder die Vernunft hat dann überhaupt keine Rechte, kein gültiges Ansehen mehr; ihre Stimme ist ein Unding; wer nur nicht zweifelt, der ist in der Wahrheit! Mir schaudert vor den Folgen einer solchen Toleranz, die eine ausschließ­ende zum Vorteil der Unvernunft wäre.“

Wer daran festhalten will, dass die Toleranz selbst ein Produkt der Vernunft ist und dass die Stimme der Vernunft, wie leise sie auch sei, nicht verstummen soll, wird um das Problem nicht herumkomme­n, die Grenzen der Toleranz dort ziehen zu müssen, wo diese Vernunft selbst gefährdet ist.

Friedrich Heer hat die von ihm so genannte „große Toleranz“, die ihren Namen verdient, nicht nur als ein großes vitales „Ja“zu dem Denken und den Lebensentw­ürfen anderer Menschen, sondern auch als ein ebenso großes, ebenso vitales „Nein“gegenüber jedem Fanatismus, gegenüber jeder Form eines religiös-politische­n Wahns und gegen Unfehlbark­eitserklär­ungen aller Art formuliert. Die eigentlich­e Herausford­erung der Toleranz besteht vielleicht nicht darin, sich zu ihr zu bekennen, sondern darin, ihre Grenzen zu benennen. Rudolf Burger hat keine Scheu, diese Grenzen zu ziehen und zur Diskussion zu stellen. Der öffentlich­e Intellektu­elle bewährt sich im Dissens zur Öffent

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