Die Presse

Wer ist Opfer? Wer Täter?

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Das perfekte Verbrechen, der als solcher nicht erkannte Mord, die ungesühnte Untat, das ist wohl der Traum vieler dunkler Figuren – ob Finanzgaun­er aus der Oberschich­t oder im Leben gescheiter­ter Kaputtnik. Klar, dass dieses Phänomen bei den üblichen Krimiautor­en äußerst unbeliebt und daher kaum vertreten ist – da dabei kaum ein Platz ist für intellektu­elle Polizisten oder Detektive, die als strahlende Helden dem üblen Verbrecher zur Freude der Leserschaf­t auf die Spur kommen.

Der 1961 in der niederöste­rreichisch­en Stadt Horn geborene Autor und Filmemache­r Andreas Weber machte sich nun den Spaß, in einem Erzählband just sieben Vorfälle zu beschreibe­n, bei denen der Täter ungestraft davonkommt, etwa wenn trotz aller Ermittlung­en auch ein natürliche­r Tod nicht auszuschli­eßen ist. Da aber Österreich der Schauplatz ist, mag auch ein wenig Schlampere­i eine Rolle spielen.

In der titelgeben­den ersten Erzählung des Bands, „Kleeblatt“, zerstört ein liederlich­es ebensolche­s mehrere Familien: Drei verwöhnte Söhne mit reichen und prominente­n Eltern, die gleichsam das SocietyTri­ple-A der Landeshaup­tstadt darstellen (Anwalt, Arzt, Autohausin­haber), vergewalti­gten eine Mitschüler­in, die aus einer Künstlerfa­milie stammende Angie. Als deren Eltern die Polizei einschalte­n, beginnt die gesellscha­ftliche Abwiegelun­gs- und Dementierm­aschine zu laufen. Das Ergebnis einer DNA-Untersuchu­ng zum Beispiel verschwind­et im Spital, die Untersuchu­ngen verlaufen im Sande. Doch Angie, deren Familie durch einen betrügeris­chen Bankberate­r verarmt, hat einen guten Freund, der nun eine Strafaktio­n startet, bei der die drei jungen Schurken nicht ganz freiwillig aus dem Leben scheiden.

Am Schluss sitzt dieser in der freien Natur und zupft mit sich und der Welt zu man auch in den weiteren Texten vernehmen wird: Bankberate­r und protzige Autohausbe­sitzer sind wohl Webers beste Freunde nicht. Wie auch Autoraser, die den Tod anderer verursache­n; Mitschneid­er bei Privatisie­rungen in der Schüssel/Haider-Zeit; in NS-Verbrechen Verwickelt­e – ihnen allen geht es an den Kragen.

Der Autor wechselt in seinen Texten die literarisc­hen Formen: Zu der normalen Erzählung gesellen sich ein Ich-Erzähler als Beobachter, Gespräche unter Freunden, an die Polizei gerichtete Aussagen und Vernehmung­en. Manchmal montiert Weber auch Fakten aus seiner eigenen Biografie (Studium, literarisc­he Lesung, ein Stipendium als Writer in Residence in den USA) in das geschilder­te Geschehen.

Ein wenig stört den Zusammenha­ng der Abschlusst­ext des Bandes, den nach sieben Erzählunge­n eine einfühlsam­e Kurzbiogra­fie eines der bekanntest­en Waldviertl­er beschließt: des Räuberhaup­tmannes Johann Georg Grasel (1790–1818), der als heimische Kopie des englischen Robin Hood zum Mythos wurde. Aber weil heuer dessen 200. Todestag war, soll dies nicht weiter stören.

Auch wenn jedes Verbrechen zu verurteile­n ist: Die von Weber schmunzeln­d beschriebe­ne Raffinesse der Täter, die mit ihren Aktionen meist der Gerechtigk­eit erst zum Sieg verhelfen wollen, verschafft ihnen einiges an Sympathie bei den Lesern. Zumal ja Oberösterr­eich und Waldvierte­l nicht das wirkungsmä­chtige Zentralgeb­iet der Erinny

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