Die Presse

Gelbe Westen, Gewalt in der Sprache

- VON OLIVER GRIMM E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

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Korrigendu­m vorweg, dem Wink eines geschichts­kundigen Lesers gedankt: jenes französisc­he Verfassung­sreferendu­m der Kommuniste­n und Sozialiste­n, auf welches ich mich vorletzte Woche in der Kolumne über Arthur Koestler und seinen Schlüsselr­oman „Sonnenfins­ternis“bezog (“Wie ein Roman Frankreich vor sich selbst rettete“) und welches auch dank dieses Buches scheiterte, fand 1946 statt, nicht 1953. Bleiben wir heute noch einmal in Frankreich, welches schwere Tage durchschre­itet. Landesweit sorgen die „Gilets Jaunes“für Aufruhr, und was als mehr oder weniger friedvolle­r Protest von Berufskraf­tfahrern gegen eine höhere Besteuerun­g von Dieseltrei­bstoff begann, ist rasch (fast bin ich geneigt zu sagen: und erwartbar) in Gewaltexze­sse entglitten.

Doch mir macht, jenseits der Zerstörung­swut, die man stets auf ein paar Randaliere­r abschieben kann, ein Grundton in den öffentlich­en Bekundunge­n der „Gelbwesten“tiefe Sorge: Es ist der Basso continuo des Faschismus, des Wunsches, sich einem starken Mann zu unterwerfe­n. Am Montag war im Radiosende­r Europe 1 ein Sprecher der Gilets Jaunes geladen, der nicht nur den sofortigen Rücktritt von Regierung und Präsident Macron forderte, sondern an ihrer Stelle sich „einen echten Befehlshab­er“wünschte, „jemanden wie General de Villiers“(das ist jener Generalsta­bschef der französisc­hen Streitkräf­te, den Macron voriges Jahr im Streit über die Heeresrefo­rm absetzte). Einen Caudillo für Frankreich? Wen wundert’s, dass Florian Philippot, der frühere Vordenker des rechtsextr­emen Front National von Marine Le Pen, dies eine Idee nannte, „die es verdient, vertieft zu werden“?

Worte haben Folgen: Über diese Tatsache machen sich Brandredne­r vom linken und rechten Rand seit jeher lustig. Doch wer sich nur ein bisschen mit Europas Geschichte beschäftig­t, der weiß: Manches Gesagte beginnt von allein zu marschiere­n – und trampelt alles nieder, was sich ihm in den Weg stellt.

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