Klima mit Sonnencreme für die Erde schützen?
Geoengineering. Zwar ist es 2018 nicht wärmer geworden, sondern ein wenig kühler, aber die CO2-Gehalte der Atmosphäre steigen allen Klimakonferenzen zum Trotz. Deshalb wollen Harvard-Forscher experimentell ein Stück Himmel abschatten.
Als 1991 der Pinatubo auf den Philippinen ausbrach und 20 Millionen Tonnen Schwefeldioxid (SO2) in die Atmosphäre schleuderte, verdunkelte die Wolke die Nordhalbkugel und kühlte sie 18 Monate um 0,5 Grad. Das war eine Erinnerung an die Macht der Natur, Vulkane haben oft Kälte und Hunger gebracht. Diesmal war die Abkühlung mild und eher willkommen – der Erwärmung wegen –, sie entging auch Edward Teller nicht, dem Erfinder der Wasserstoffbombe. Er rief 1999 nach einer „Sonnencreme für die Erde“und schlug vor, hoch in der Atmosphäre Spiegel zu platzieren, um Sonnenlicht zurückzuwerfen. Andere Ideen setzten etwa darauf, die Ozeane mit Tischtennisbällen zu belegen.
Ernster genommen wurde ein Plan des USOzeanografen John Martin aus den 80er-Jahren: „Gebt mir einen Tanker voll Eisen – und ich gebe euch eine neue Eiszeit!“Martin hatte bemerkt, warum das Südmeer – das um die Antarktis herum – heute biologisch so wenig produktiv ist: Ihm fehlt ein Nährstoff, Eisen, der lässt das Leben blühen bzw. Algen. Die holen CO2 aus der Atmosphäre und lagern es in den Tiefen der Ozeane ein.
So sei es immer nach Eiszeiten gewesen: Wenn die Gletscher schmelzen und ihren Abrieb freigeben, wird der vom Wind zum Südmeer getrieben. Warum sollte der Mensch nicht auch Eisen hineinbringen und so der Erwärmung entgegensteuern können? Martin konnte sein Versprechen nicht einlösen, andere konnten es auch nicht: Forscher unternahmen Eisendüngungsexperimente im Südmeer – vor allem SOFeX, das South Ocean Iron Fertilisation Experiment –, Firmen witterten Geschäfte: Nur 125.000 Qua- dratkilometer Meer – die dreifache Fläche Österreichs – müssten mit Eisen gedüngt werden, um das CO2 der USA zu entsorgen, rechnete Branchenführer Green Sea Venture vor. Der ist im Internet nicht mehr zu finden, und SOFeX brachte ernüchternde Befunde.
Das war gegen Ende des Jahrhunderts, kurz zuvor, 1998, hatte die Erwärmung einen Höchststand erreicht, dann kam der sogenannte Hiatus: Die Temperaturen blieben auf hohem Niveau, stiegen aber nicht, bis 2014. Dann stiegen sie leicht, 2018 fielen sie wieder leicht, das ist die vorläufige Bilanz der World Meteorological Organisation (siehe Kasten). Was unvermindert stieg, war der CO2-Gehalt der Atmosphäre durch die Emissionen der Menschheit, auf ihn konzentrierten sich die Sorgen: Irgendwann würde er (wieder) durchschlagen. Und weil Klimakonferenzen ihm kaum Einhalt gebieten konnten, erinnerte man sich an Plan B: Mil- dern der Folgen durch „Geo-Engineering“, großflächige Eingriffe ins Klima.
Erste Pläne kamen in den 70ern, zum Abwenden befürchteter Kälte – „How to survive the coming ice age“, titelte das „Time“Magazin –, nun ging es um das Gegenteil: Man konnte entweder das CO2 einfangen und endlagern oder die Sonne abschatten. Letzteres wird kleinräumig versucht, mit Ersterem preschte 2006 Paul Crutzen vor: Er ist seit Jahrzehnten ein führender Atmosphärenphysiker, er erklärte das Ozonloch – und erhielt den Nobelpreis dafür –, früher hatte auch er vor einer Abkühlung gewarnt, vor einer durch Tellers Waffen: Einen „nuclear winter“würden sie bringen.
Das wollte Crutzen nicht, aber das Imitieren des Pinatubo sei eine mögliche Notlösung des Problems der Erwärmung: Man müsse nur SO2 in die Atmosphäre bringen, es sei gar nicht so teuer, das bestätigte später der UNO-Klimabeirat IPCC: eine bis zehn Milliarden Dollar pro Jahr.
Einen Hinweis auf die Wirksamkeit solcher Maßnahmen brachte 9/11: Nach den Anschlägen wurde der Luftraum über den USA gesperrt, die Temperaturen stiegen. Das war ein unbeabsichtigtes Experiment, nun soll das erste echte kommen: Harvard-Forscher wollen im SCoPEx – Stratospheric Perttuboration Experiment – mit einem Ballon über dem Südwesten der USA in 20 Kilometer Höhe kleinflächig Partikel freisetzen und beobachten (Nature 563, S. 613). Man will nicht SO2 nehmen, das könnte die Ozonschicht angreifen und mit seiner dunklen Farbe so heiß werden, dass es Winde verändert, man setzt auf weißes Kalziumkarbonat.
Kritik hält sich in Grenzen, sie kommt vor allem von der ETC Group, einer so kleinen wie schlagkräftigen kanadischen NGO. Sie erinnert daran, dass 1978 die UNO auf gemeinsamen Antrag der USA und Sowjetunion hin die Environment Modification Convention beschloss. Sie verbietet den Einsatz des Wetters als Waffe, die ETC Group will sie auf friedliche Zwecke erweitert sehen.
wird jedes Jahr Ende November von der World Meteorological Organisation vorläufig bilanziert: 2018 war das „viertwärmste Jahr“in der Messgeschichte. Das heißt auch, dass es gegenüber den Vorjahren nicht wärmer geworden ist – global! –, sondern kühler: 0,09 Grad gegenüber 2017, 0,19 gegenüber 2016 (das lag 1,17 Grad über dem vorindustriellen Wert, 2017 waren es 1.07, 2018 0,98).
sieht es anders aus. Die Werte sind weiter gestiegen, auf 405,5 ppm (Teilchen pro Million), vor der Industrialisierung waren es 280. Warum das nicht auf die Erwärmung durchschlug, ist unklar.