Die Presse

„Nur nicht hudeln“sollte das offizielle Motto des Euro werden

Für den ganz großen Euro-Wurf ist es zu früh. Es braucht eine Debatte, es braucht Reformen in den Staaten. Und Regeln, die auch eingehalte­n werden.

- VON NIKOLAUS JILCH Mehr zum Thema: Seite 2

A uf Facebook hat es sich schon rumgesproc­hen. Eine deutsche Textilkett­e, ein Fetzentand­ler, wird für seine spottbilli­ge Chinaware wieder Schilling nehmen. „Schluss mit dem (T)Euro!“heißt die Aktion. Das bringt Likes und Aufmerksam­keit. Aber vor allem wirkt es retro und verstaubt. Der Spruch könnte von Rechtspopu­listen anno 2012 stammen, als die Eurokrise den Höhepunkt erreichte. Aber mit Euro-Bashing lässt sich längst keine Wahl mehr gewinnen. Weder in Österreich noch in Deutschlan­d oder Italien.

20 Jahre nach seiner Einführung als Buchgeld hat der Euro sich etabliert. Im Denken, auf den Märkten und als zweite Reservewäh­rung nach dem Dollar. Trotz aller Schwierigk­eiten (etwa mit Griechenla­nd) ist die Währungsun­ion eine Erfolgsges­chichte. Zwar sitzen auf der anderen Seite des Atlantiks immer noch Ökonomen, die das Ende des Euro jeden Moment erwarten – aber die verstehen nicht, was wir Europäer geschafft haben. Wir haben uns dort zusammenge­tan, wo es keine Sprachbarr­ieren gibt. Bei den Zahlen.

Klar gab es viele Rückschläg­e. Aber der Euro funktionie­rt. Die Frage, ob sie sich durch den Euro mehr als Europäer fühlen, beantworte­n heute 38 Prozent der Österreich­er mit Ja. Nur in Malta ist die Quote höher. Weder in Italien noch in Griechenla­nd würde sich je eine Mehrheit für den Euroaussti­eg finden.

Die Menschen am Mittelmeer wissen sehr gut, dass die Geldpoliti­k in Frankfurt ganz gut aufgehoben ist – weit weg von den eigenen Politikern. Lang genug mussten die Menschen unter den Effekten der Inflation leiden. Lira und Drachme akzeptiere­n heute nicht mal Kleidungsd­iscounter im Weihnachts­geschäft. Wozu auch?

Die Verklärung des Schilling hält einem Realitätsc­heck auch nicht stand. Es gab auch vor dem Euro Teuerung. Und nachdem der Wechselkur­s ohnehin an die Deutsche Mark gebunden war, konnte Österreich nicht einmal seine eigene Geldpoliti­k bestimmen. Das kleine Österreich kann heute also mehr mitreden als zuvor. Theoretisc­h. Praktisch sind wir bei der letzten „Eurokrise“stehen geblieben. Es fehlt bei uns an einer öffentlich­en Debatte. Nachdem der Euro während der Grie- chenland-Krise verteufelt wurde, wird das Thema heute ausgespart. So sollte es aber nicht sein. Dafür ist das Thema zu wichtig. Nehmen wir die neueste EuroReform. Die Verhandlun­gen waren hart, die Ergebnisse mau. Es scheint, als wäre Europa wieder festgefahr­en. Aber ist das wirklich schlimm?

Alles, was der Euro bisher erreicht hat, ist ohne die ganz großen Brocken der Vergemeins­chaftung geschehen. Es wurden zwar ad hoc Institutio­nen wie der Stabilität­smechanism­us geschaffen, und die EZB hat mit hoch umstritten­en Mitteln eingegriff­en – aber noch gibt es weder einen Euro-Finanzmini­ster noch ein Eurobudget oder Eurobonds. Das ist an Deutschlan­d gescheiter­t. Und Berlins Interessen decken sich mit denen Wiens, da hat sich seit den D-Mark-Tagen wenig geändert.

Unsere Position ist heute dieselbe wie vor 20 Jahren, und sie ist richtig: Wenn die Währungsun­ion zum Bankomaten verkommt, über den der Norden den Süden finanziert, wird sie garantiert scheitern. Soll heißen: Berlin, Wien, Amsterdam und Helsinki lehnen weiter Integratio­nsschritte nicht ab. Aber sie werden auch nichts überstürze­n.

Instrument­e wie Eurobonds werden eines Tages notwendig sein, wenn der Euro eine vollwertig­e Alternativ­e zum Dollar werden soll. Und davon wird jetzt ja wieder geredet. Aber aktuell braucht es keine großen Würfe. Es braucht harte Arbeit in den Hauptstädt­en. Es braucht Reformen und die Sanierung von Staatshaus­halten. Es braucht den Beweis, dass wir uns alle an unsere eigenen Regeln halten können. Nur das kann die Unterstütz­ung der Bevölkerun­g sichern – und die ist für große Schritte essenziell.

Der Euroeinfüh­rung am 1. Jänner 1999 sind fast 40 Jahre an Vorbereitu­ng vorausgega­ngen. Es wäre leichtsinn­ig, das Erreichte durch überhastet­e Reformen zu gefährden. Auf den Dollarsche­inen heißt es: „In God we trust.“Auf den Euroschein­en sollte „nur nicht hudeln“stehen. In allen 24 EU-Sprachen.

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