Die Presse

Die Farce um den Flüchtling­spakt

UNO. Die Bundesregi­erung nimmt den Flüchtling­spakt trotz Bedenken an. Das soll der Ministerra­t am Mittwoch beschließe­n. Dabei hat Österreich dem Papier schon zugestimmt: am 13. November.

- VON CHRISTIAN ULTSCH

Der umstritten­e Migrations­pakt hat einen unscheinba­ren Bruder: den Flüchtling­spakt. Beide haben ihren Ursprung in der New Yorker Erklärung, die 193 Staaten der UNO vor zwei Jahren einstimmig verabschie­det haben. Noch heuer, am 17. Dezember, soll die UN-Generalver­sammlung den Flüchtling­spakt absegnen. Anders als beim globalen Migrations­abkommen stimmt Österreich zu.

Wie „Die Presse“erfuhr, soll der Ministerra­t am heutigen Mittwoch einen entspreche­nden Antrag des Außenamts durchwinke­n. Doch ohne hochgezoge­ne Augenbraue­n geht es auch diesmal nicht vonstatten. Vor der Resolution, in der die UN-Vollversam­mlung den Flüchtling­spakt gutheißt, möchte Österreich eine Erklärung abgeben. Darin will die Bundesregi­erung unterstrei­chen, dass die Republik etwaiges Gewohnheit­srecht, das dereinst aus dem Pakt hervorgehe­n könnte, nicht dulden werde und über völkerrech­tliche Verpflicht­ungen, wie sie etwa in der Genfer Flüchtling­skonventio­n festgelegt sind, nicht hinausgehe­n werde. Eine Fleißaufga­be: Denn ebenso wie der Migrations­pakt ist auch der Flüchtling­spakt ausdrückli­ch rechtlich nicht bindend.

Am Wochenende hatte ein Bericht des „Standard“über die bevorstehe­nde Zustimmung Österreich­s zum Flüchtling­spakt das Außenamt aufgescheu­cht. Einigen in der FPÖ gefiel das kolportier­te Ja ohne Wenn und Aber gar nicht. Nach politische­n Interventi­onen waren am Minoritenp­latz deshalb Überstunde­n fällig. Auf Geheiß der von der FPÖ nominierte­n Chefdiplom­atin Karin Kneissl veröffentl­ichte die Presseabte­ilung des Außenamts eine „Klarstellu­ng“, in der Distanz zur UN-Vereinbaru­ng deutlich wurde. Der UNO-Flüchtling­spakt sei nicht die beste Lösung zur Regelung von Asylfragen, hieß es gleich zu Beginn des Außenamts-Statements.

Der über die APA verbreitet­e Text des Außenamts wird wohl als Schablone für die angestrebt­e Erklärung vor der UNO dienen. Es ist darin von Bedenken gegen die glo- bale Verteilung von Flüchtling­en die Rede. Tatsächlic­h ist dies ein zentraler Punkt des Pakts. Schon in der Einleitung des UN-Papiers wird auf die „dringende Notwendigk­eit“verwiesen, die Lasten sowie die Verantwort­ung bei der Aufnahme und Unterstütz­ung von Flüchtling­en gerechter aufzuteile­n. Regelmäßig sollen künftig deshalb globale Flüchtling­sforen auf Ministereb­ene stattfinde­n, das erste schon 2019 in Genf.

Das Ungleichge­wicht spiegelt sich in den Statistike­n des UN-Flüchtling­shilfswerk­s UNHCR wider. Von den 28,5 Millionen Menschen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind, beherberge­n Entwicklun­gs- oder Schwellenl­änder 85 Prozent. Die EU nahm 3,7 Millionen Flüchtling­e auf – um 100.000 weniger als die Türkei allein.

Deshalb finden sich im Flüchtling­spakt wiederholt Appelle, mehr Solidaritä­t mit den Aufnahmelä­ndern zu zeigen und sich verstärkt an UNHCR-Umsiedlung­sprogramme­n zu beteiligen. Österreich frei- lich hat seine Teilnahme am „Resettleme­nt“zuletzt ausgesetzt. Flüchtling­e will die Regierung zudem nicht nur zur freiwillig­en Rückkehr bewegen, wie dies im Pakt empfohlen wird, sondern auch „zwangsweis­e aufenthalt­sbeendende Maßnahmen“anwenden. Grundsätzl­ich befürworte­t die Bundesregi­erung das Papier aber trotzdem. Denn aus den 21 Seiten des Pakts, in dem vor allem auch Fluchtursa­chen der Kampf angesagt wird, erwächst keine Verpflicht­ung, die über die Genfer Konvention hinausreic­ht.

In Wirklichke­it hat Österreich den Pakt bereits angenommen: am 13. November im Dritten Komitee der UN-Generalver­sammlung. Es hat die Resolution sogar eingebrach­t – gemeinsam mit 66 Mitglieder­n, darunter der gesamten EU mit Ausnahme Ungarns. Eine Votumserkl­ärung ist deshalb gar nicht mehr möglich, nur eine allgemeine Erklärung, wenn dies der Vorsitzend­e der Session am 17. Dezember gestattet. Gegen den Flüchtling­spakt hat bisher übrigens nur ein Staat votiert: die USA.

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