Die Presse

„Der Hauptcampu­s ist in Wien“

Central European University. „Ökonomisch total idiotisch“: Leon Botstein, der Vorsitzend­e des Beirats der von George Soros gegründete­n Uni, über die Orb´an-Regierung.

- VON ULRIKE WEISER

Die Presse: Zirka 80 Prozent der Studiengän­ge der CEU übersiedel­n nach Wien. Warum hat man lange nur von einer Wiener „Satelliten­uni“geredet? Um die ungarische Regierung nicht zu provoziere­n? Leon Botstein: Wir waren nach den Verhandlun­gen mit New York zunächst sehr optimistis­ch, dass es eine Lösung gibt (Anm.: die geänderten ungarische­n Gesetze verlangen für ausländisc­he Privatunis ein Abkommen zwischen der ungarische­n Regierung und jener der Herkunftsl­andes – in diesem Fall: des Bundesstaa­tes New York). Man hat uns Hoffnungen gemacht. Gleichzeit­ig haben wir von Anfang an überlegt, wohin wir gehen könnten, wenn es nicht funktionie­rt. Wir haben Wien gewählt, weil es nah und internatio­nal ist. Zunächst war der Gedanke, dass die Hauptuni in Budapest bleibt. Aber das hat sich dann rasch geändert. De facto würden mit dem neuen Gesetz ab 2019 fast 99 Prozent unserer Studiengän­ge illegal. Deshalb haben wir beschlosse­n, alle US-Studiengän­ge nach Wien zu übersiedel­n. De facto übersiedel­n wir die ganze Universitä­t. Natürlich wollten wir das nicht. Einen Campus umzusiedel­n ist extrem teuer.

Wie teuer ist es genau? Ich schätze, dass die nächsten fünf Jahre – das Adaptieren des Zwischenqu­artiers, die Umsiedelun­g und die Vorbereitu­ngen für den neuen Campus – etwa 150 Millionen Euro ausmachen werden. Dazu kommt, dass die Mieten, Gehälter und Stipendien in Wien mehr kosten als in Budapest. Alle un- sere Studenten bekommen ja Stipendien. Aber wir werden bei der Übersiedlu­ng von den Open Society Foundation­s unterstütz­t (Anm.: Stiftungen von George Soros).

Wie finanziert sich die Uni denn generell? Sie ist unabhängig und so organisier­t wie bei Privatunis in Amerika üblich. Es gibt z.B. viele Schenkunge­n. Wir haben mehrere großzügige Unterstütz­er, nicht nur Soros.

Der Bildungsmi­nister hat klargestel­lt, dass es vom Staat keine Förderunge­n gibt. Das erwarten wir auch nicht. Wir erwarten nur eine plausible Miete und keine staatliche Unterstütz­ung – außer Forschungs­gelder für konkrete Projekte.

Ein Teil der CEU bleibt als rein ungarische Hochschule in Budapest und zwar„ so lange wie möglich“. Wie lange ist das? Das hängt von der Politik ab. Wir haben dort jedenfalls einen wunderschö­nen Campus, den wir ungern verlassen. Es wäre schön, wenn irgendwann irgendetwa­s dorthin zurückkehr­t. Ich denke, dass die CEU künftig wachsen und mehr als einen Campus besitzen wird. Aber klar ist: Der Hauptcampu­s ist und bleibt in Wien. Von der Entscheidu­ng können wir nicht mehr zurücktret­en.

Sie haben in Budapest einen recht neuen Campus. Was geschieht mit dem? Wer weiß? Eventuell steht er leer, eventuell wird er verkauft.

Wie war die erste Reaktion der Orban-´Regierung der CEU gegenüber auf die definitive Umzugsents­cheidung? Das weiß ich nicht, ich weiß auch nicht, was die ungarische Regierung will. Das alles ist für mich schwer zu verstehen. Es ist auch ökonomisch total idiotisch. Eine Uni bringt einer Stadt viele Vorteile und Jobs. Was ist das für eine irrational­e und unpatrioti­sche Politik? Das hat nichts mit konservati­v oder liberal zu tun – das versteht man nicht.

Dem ist eine Kampagne gegen George Soros vorausgega­ngen. Viktor Orban´ hat ihm vorgeworfe­n, Migrantens­tröme nach Eu- ropa zu lenken. Die FPÖ greift die Vorwürfe auf. Rechnen Sie hier mit Gegenwind? Diese Gefahr besteht überall. In Amerika und ganz Europa gibt es eine rechtspopu­listische Minderheit, die nicht verstehen will, dass eine Uni keine politische Sache ist. Die sind gegen die CEU, weil Soros sie gegründet hat. Aber die Uni ist unabhängig. In unserem Board sitzt die Leiterin von Oxford, die Leiterin von Berkeley, der ehemalige Präsident von Stanford. . . Die Stanford-Universitä­t wurde von Leland Stanford gegründet und niemand kommt auf die Idee, die Universitä­t mit seiner Politik zu verwechsel­n. Aber wir sind sehr optimistis­ch, was Österreich betrifft. Denn die ÖVP und der Kanzler haben sich gegen diese antisemiti­sche Politik und auf die Seite der CEU und der Stadt Wien gestellt.

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