Die Presse

Deutsches Säbelrasse­ln rund um Nord Stream II

Ostsee-Pipeline. Während sich Angela Merkel für den Bau der russischen Pipeline stets starkmacht­e, stellen ihre Nachfolger Spahn, Merz und Kramp-Karrenbaue­r das Projekt nun infrage. Ob sie meinen, was sie sagen?

- VON JUDITH HECHT

„Machtwechs­el in der CDU bedroht Putin-Pipeline“, titelte die deutsche „Bild“-Zeitung gestern alarmistis­ch. Während Bundeskanz­lerin Angela Merkel eine der stärksten Proponente­n der Nord Stream II ist, hätten alle drei Kandidaten, die um ihre Nachfolge als CDU-Parteichef­in buhlen, massive Vorbehalte gegen das milliarden­schwere Projekt. Die Ostsee-Pipeline wird vom russischen Wyborg ins deutsche Lubmin führen.

Gesundheit­sminister Jens Spahn geht so weit, einen Ausstieg in Betracht zu ziehen. Der Grund ist Wladimir Putins jüngstes Vorgehen gegen die Ukraine: „Es kann nicht sein, dass das Projekt – egal, was Putin macht – immer weitergeht. Der Zwischenfa­ll in den inter- nationalen Gewässern vor der Krim-Küste dürfe nicht ohne Folgen bleiben. Die Nord Stream II sei „nicht nur ein wirtschaft­spolitisch­es, sondern ein geostrateg­isches Projekt“. Diesem den Segen zu entziehen sei eine „Option“. Friedrich Merz, der neben Annegret KrampKarre­nbauer Spahns zweiter Gegenkandi­dat ist, sieht die Sache ähnlich. Zwar sei das Vorhaben „zunächst einmal eine ökonomisch­e Entscheidu­ng, aber je mehr dieser Konflikt eskaliert, desto mehr kommt die Frage in den Fokus: ,Ist es wirklich richtig, diese Pipeline zu bauen?‘“

„Noch einmal darüber reden“

Auch Kramp-Karrenbaue­r ( AKK) hat Bedenken „Wir müssen die Frage, was die politische Bedeutung von Nord Stream II ist, über- denken“, sagte sie am Sonntagabe­nd. Es sei Zeit, über das Projekt noch einmal in Europa zu reden. Ein Ansatz, der Putin und alle Unternehme­n, die in die Pipeline Milliarden investiere­n – darunter auch der österreich­ische Erdöl- und Erdgaskonz­ern OMV, die deutsche Wintershal­l und Shell –, nicht begeistern wird. Denn bekanntlic­h gibt es viele Länder in der EU, die über Putins Pipeline gar nicht erfreut sind. Eigentlich teilt überhaupt nur Österreich die bisherige Zustimmung Deutschlan­ds. Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens investiert die OMV in das ZehnMillia­rden-Projekt immerhin rund eine Milliarde Euro, und zweitens bezieht Österreich großteils jenes Gas, das durch Deutschlan­d fließt.

Doch während Merz, Spahn und AKK so unverblümt gegen die Realisieru­ng der Nord Stream II wettern, kann man sich fragen, wie ernst es ihnen mit ihren Parolen denn eigentlich ist. Denn eines darf nicht vergessen werden: Alle Bewilligun­gen, die für den Bau notwendig sind, wurden bereits erteilt. Und mit den Arbeiten wurde längst begonnen. Die ersten 100 Kilometer der Gas-Pipeline seien in finnischen und deutschen Gewässern bereits verlegt worden, sagte der Unternehme­nssprecher der Nord Stream II im Oktober.

Und die russische Nachrichte­nagentur Interfax teilte erst am Montag mit einem Verweis auf den Quartalsbe­richt der Gazprom mit, dass bereits sechs Mrd. Euro des Projekts finanziert seien. Davon hätte die Gesellscha­ft schon 340 Mio. Euro von ihren ausländisc­hen Partnern erhalten.

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