Der Kampf um die 70-Milliarden-Mausefalle
Privatstiftungen. 2019 dürfte das Stiftungsrecht novelliert werden. Zwei heikle Punkte stehen im Mittelpunkt. Sie gewannen durch den Streit um die B&CStiftung zuletzt an Brisanz.
Im Regierungsprogramm findet sich das Wort „Privatstiftung“zwar kein einziges Mal, dennoch ist das Thema auf der Agenda der Koalition. Allerdings nicht im eigentlich dafür zuständigen Justiz-, sondern im Finanzministerium. Heuer im Frühjahr gab es bereits einen entsprechenden Arbeitskreis unter Leitung von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), bei dem Experten und Stiftungsvertreter zugegen waren. In den vergangenen Wochen kam es zudem zu mehreren Gesprächsrunden auf Kabinettsebene. Und auch Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) soll bei dem Thema regelmäßig seinen Input geben und zusammen mit Löger für die koalitionäre Abstimmung sorgen.
Noch vor dem Sommer 2019 dürfte der Vorschlag für eine Novelle des Stiftungsrechts fixiert sein. Wie sie genau aussehen wird, ist zwar noch Teil der Verhandlungen, klar ist jedoch, dass es dabei vor allem um zwei Knackpunkte geht: den Einfluss von Begünstigten auf den Stiftungsvorstand und die Möglichkeit zur Auflösung einer Stiftung – die sogenannte Mausefallen-Problematik.
Beim Einfluss der Begünstigten kann die Regierung auf jener Gesetzesnovelle aufbauen, die von der alten Regierung im Sommer 2017 bereits weit entwickelt worden war, aufgrund der Neuwahlen aber versandete. Demnach soll der jetzige Stiftungsbeirat durch ein neues Aufsichtsorgan ersetzt wer- den, das über mehr Rechte verfügt. Hintergrund ist, dass der bisherige Beirat aufgrund der Judikatur des OGH sehr geschwächt ist, vor allem, wenn er mit Begünstigten besetzt ist. Bei vielen Stiftern und ihren Nachkommen herrscht daher die Ansicht, keinerlei Kontrolle über das einstige Vermögen mehr zu haben. Bei diesem Punkt wird von den Betroffenen und ihren Vertretern im Stiftungsverband seit Längerem eine Änderung gefordert.
Eine Forderung, die aus Sicht von Experten nachvollziehbar ist. „Der Gesetzgeber müsste hier nun klar definieren, was der Beirat darf und was nicht“, sagt dazu Johannes Zollner, Professor für Unternehmensrecht an der Uni Graz. Das sei notwendig, um die gegenwärtige Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Dem stimmt auch Martin Schauer, Professor für Zivilrecht an der Uni Wien, zu: „Der OGH hat hier Hürden errichtet, die im Gesetz so gar nicht vorgesehen waren.“Österreich sei im internationalen Vergleich sehr restriktiv, weshalb es auch nicht mehr interessant sei, neue Stiftungen zu errichten. In Liechtenstein dürften hingegen seit zehn Jahren sogar Begünstigte im Stiftungsvorstand sitzen, so Schauer.
Auch in der Politik wird hier Änderungsbedarf gesehen. So verweist Finanzstaatssekretär Fuchs im Gespräch mit der „Presse“zwar auf die Zuständigkeit des Justizministeriums, hat aber eine klare Meinung: „Die OGH-Judikatur ist stiftungs-, familien- und unternehmerfeindlich. Es hat einen Sinn, dass es einen entsprechenden Beirat gibt.“
Wesentlich umstrittener ist der zweite Punkt – die Auflösung von Stiftungen. Derzeit ist das nur möglich, wenn der Stifter noch lebt oder das in der Stiftungsurkunde explizit vorgesehen hat. Und auch dann gilt es eher als theoretische Möglichkeit. Denn sämtliche Vermögen, die vor dem Jahr 2008 (Abschaffung der Erbschaftssteuer) in eine Stiftung eingebracht wurden, werden mit der Kapitalertragssteuer von 27,5 Prozent besteuert. Eine ungerechtfertigte Substanzbesteuerung, wie Kritiker meinen.
Eine Änderung sei hier jedoch deutlich schwerer zu argumentieren, so die Experten – vor allem dann, wenn der Stifter nicht mehr am Leben ist. „Eine Stiftung ist ein Generationenvertrag, der auch für alle nachfolgenden Generationen gilt. Warum soll eine Generation, die zufällig gerade die Begüns- tigte ist, das auflösen dürfen?“, meint Zollner. Auch der Stiftungsverband ist in dieser Frage gespalten. „Ein Drittel sagt, wir leben sehr gut mit der aktuellen Rechtslage. Ein Drittel sagt, ich will heraus, und ein Drittel ist neutral“, sagt dazu Verbandspräsident Veit Sorger. Vor allem in der zweiten Generation werde die Forderung nach einer Möglichkeit, Stiftungen wieder auflösen zu können, laut. So sieht das auch Anwältin Cattina Leitner, die sich als Stifterin sowohl im Stiftungsverband als auch im Verein Stiftung NextGen Österreich engagiert. „Der Mausefalleneffekt ist vor allem die Steuerbelastung auf Kapital. Diesen sollte man auch für die älteren Stiftungen abschaffen. Das wäre fair.“
Steuerrechtlich wäre eine Abschaffung der Mausefalle aber gar nicht so leicht umsetzbar, meint dazu Sabine Kirchmayr, Professorin für Steuerrecht an der Uni Wien. „Die Zuwendungen an Begünstigte und Letztbegünstigte sind verfassungsrechtlich definiert.“Und demnach müsse der Steuersatz zwischen 20 und 27,5 Prozent liegen. Es wäre daher möglich, den Exit günstiger zu machen. „Aber es ist nicht möglich, die Steuer komplett abzuschaffen“, so Kirchmayr.
Brisanz hat diese Frage nicht zuletzt durch den Kampf um die Kontrolle der B&C-Stiftung gewonnen. Wie berichtet versucht der Investor Michael Tojner, durch den Abkauf der Stellung des Begünstigten bzw. Letztbegünstigten von der Unicredit Einfluss auf die B&C-Stiftung und die von ihr gehaltenen Anteile an den heimischen Industriekonzernen Amag, Lenzing und Semperit zu erhalten. Eine Gesetzesnovelle, die die Auflösung von Stiftungen erleichtert, käme ihm dabei sehr gelegen.
In der Politik zeigt man sich bei diesem Thema jedoch abweisend. „Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass Stiftungen aufgelöst werden und das Ganze steuerlich begünstigt oder steuerfrei erfolgen soll“, so Finanzstaatssekretär Fuchs. Auch die Möglichkeit, eine Stiftung aufzulösen, soll es weiterhin nur geben, wenn diese vom Stifter bei der Errichtung vorgesehen wurde. „Ich lehne es ab, dass ein solches Widerrufsrecht auf irgendjemand anderen übergehen soll.“
Allerdings wäre es für ihn vorstellbar, dass die Aufteilung von Stiftungen auf mehrere Substiftungen – was derzeit ebenfalls mit 27,5 Prozent besteuert wird – künftig gratis werde. Das würde es größeren Familien erleichtern, unterschiedliche Interessen auszugleichen, indem es verschiedene Stiftungen gebe. Entscheidend sei jedoch, dass die Rechtsform dabei nicht geändert werde, so Fuchs. Im Kabinett von Finanzminister Löger will man das Thema zurzeit noch überhaupt nicht kommentieren. Dass es beim Stiftungsrecht grundsätzlichen Änderungsbedarf gibt, wenn man Stiftungen attraktiv halten will, ist aber allgemein klar. So ist die Zahl der Stiftungen seit Anfang des Jahrzehnts von etwa 3350 auf nunmehr rund 3100 gesunken. Tendenz weiter fallend.