Die Presse

Ein Jahr Türkis-Blau: Regierung lobt sich

Jubiläum. Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache zogen ihr Resümee über das erste Koalitions­jahr. Einigkeit wurde demonstrie­rt – wenn es nicht gerade um Soros oder Waldhäusl ging.

- VON PHILIPP AICHINGER

Österreich. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben anlässlich des ersten Jahrestags von Türkis-Blau gestern eine positive Bilanz gezogen. Beide betonten, dass man in etlichen Bereichen eine „Trendwende“geschafft habe.

Erstmals wurden ein ausgeglich­enes Budget vorgelegt, Steuern gesenkt und in der Migrations­politik der Kurs „Ordnung statt Chaos“geschaffen. Hingewiese­n wurde auch auf den „Familienbo­nus.

Für 2019 wurden drei Punkte angekündig­t. Unter anderem eine Steuerrefo­rm. Sie soll bei der für 10./11. Jänner angesetzte­n Regierungs­klausur besprochen werden. Konzentrie­ren soll sie sich laut Kurz auf kleine und mittlere Einkommen, das Volumen ist aber offen. Beschlosse­n werden soll die Reform im Herbst mit einem Doppelbudg­et.

Wien. „Da ist alles noch frisch, wir sind beide in dem Jahr sichtbar jünger geworden, und es macht Spaß.“Mit diesen Worten zelebriert­e Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache am Dienstag neben Kanzler Sebastian Kurz die „papierne Hochzeit“, wie der FPÖChef die türkis-blaue Partnersch­aft nach einem Jahr titulierte.

Zwar jährt sich erst am 18. Dezember der Tag, an dem sich ÖVP und FPÖ vor dem Bundespräs­identen das Jawort gaben. Drei Tage zuvor war der Koalitions­pakt unterschri­eben worden. Aber bereits gestern luden Kurz und Strache zu einem gemeinsame­n Resümee über das erste Jahr ins Dachgescho­ß der Wiener Hofburg.

Der Kanzler setzte dabei auf ein staatstrag­endes, auch stark außenpolit­isch geprägtes Statement. In Deutschlan­d herrsche politische Unsicherhe­it, in Italien gebe es eine gefährlich­e Schuldenpo­litik und in Frankreich Szenen von Gewalt auf der Straße. „So gesehen kann man sagen, Österreich ist eine Insel der Seligen. Aber dass Österreich so gut dasteht, ist keine Selbstvers­tändlichke­it“, meinte Kurz. Und er warb naturgemäß für das Regierungs­programm. In der Migration herrsche nun Ordnung statt Chaos, finanzpoli­tisch stehe Entlastung statt neuer Steuern an.

Angriffe auf die SPÖ

Während Kurz eher darauf achtete, mit ruhiger Körperspra­che Bilanz zu ziehen, gestikulie­rte Strache mit seinen Händen deutlich. Auch inhaltlich legte es der FPÖ-Chef angriffige­r an. „Die Opposition, die Sozialdemo­kratie, versucht immer wieder, mit falschen Behauptung­en Unsicherhe­it zu schüren“, sagte Strache. Etwa beim Thema Sozialvers­icherung oder Arbeitszei­t, aber mit dieser Kritik an der Regierung „disqualifi­ziert sich die Sozialdemo­kratie einfach selbst“, meinte der frühere Opposition­sführer und jetzige Vizekanzle­r.

Eine Botschaft der Regierung war einmal mehr, dass man nach außen hin zusammenha­lte, auch wenn es zuvor intern Diskussion­en gebe. Ausgerechn­et am Dienstag wurden aber Meinungsun­terschiede offenbar. Etwa, wenn es um das am Freitag geschlosse­ne Quartier für bestimmte jugendlich­e Asylwerber in Drasenhofe­n ging.

Kurz stellte sich hinter Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die das Quartier nach Kritik der Jugendanwa­ltschaft an Stacheldra­ht und Ausgehverb­oten räumen ließ. „Es braucht maßgeschne­iderte Lösungen, aber im Einklang mit unseren Gesetzen“, sagte Kurz. Strache schlug sich auf die Seite von FPÖLandesr­at Gottfried Waldhäusl, der das Quartier initiiert hatte. Die darin befindlich­en Jugendlich­en sollen ja nicht alle „so anständig gewesen sein“, meinte Strache – und sie seien auch gar nicht in ihrer Freiheit beeinträch­tigt worden.

2019: Pflege, Steuern, Digitales

Die Übersiedlu­ng der von George Soros gegründete­n Central European University von Ungarn nach Wien sah Strache ebenfalls kritisch. Er sprach von einer „Wanderuniv­ersität“. Kurz bewertete die Übersiedlu­ng nach Wien hingegen als „positive Bereicheru­ng“.

Für das nächste Jahr verspreche­n Kurz und Strache Reformen. So nimmt sich die Koalition für 2019 die Themen Steuern, Pflege und Digitalisi­erung vor. Zur Pflege will die Regierung nach dem heutigen Ministerra­t weitere Details bekannt geben. Die Steuerrefo­rm soll bei der Regierungs­klausur im Jänner erstmals erörtert werden und ab 2020 gelten. Für 2019 machte Kurz klar, dass Spitzenpol­itiker eine Nulllohnru­nde erhalten sollen, die zweite in Folge.

Internatio­nale Journalist­en sprachen Kurz auf Medienberi­chte an, laut denen er die Rechtsextr­emen salonfähig gemacht habe. Darauf wollte der Kanzler aber nicht inhaltlich eingehen. Er betonte jedoch, dass er einst auch für seine Migrations­politik kritisiert worden sei, eben diese aber nun in Europa die vorherrsch­ende Meinung sei.

„Ein Politiker, der ständig auf mediale Berichters­tattung und Meinungsum­fragen schielt, ist auf dem falschen Weg“, meinte Kurz grundsätzl­ich. Das gefiel Strache, der nun noch ergänzte: „Wer zur Quelle kommen will, muss fleißig gegen den Strom schwimmen.“

Und so verließen Kurz und Strache das Podium wieder geeint.

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[ APA ] Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Vize Heinz-Christian Strache schritten am Dienstag im Dachgescho­ß der Wiener Hofburg zur gemeinsame­n Pressekonf­erenz.

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