Die Presse

Wieder offen mit Klimt und Gerstl

Leopold-Museum. Ein turbulente­s Jahr hat man hier hinter sich: Nach dem Ansturm der Besucher und einen Monat Schließung später eröffnet man jetzt wieder drei Geschoße.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Noch sieht man von außen nicht viel von der gläsernen „Libelle“, die auf dem Dach des Leopold-Museums Platz nehmen wird. Nur ein hoher Kran ragt schütter in den Nebelhimme­l. Die Bauarbeite­n für den Veranstalt­ungsraum und die Aussichtst­errasse haben aber schon begonnen, das Haus musste deshalb einen Monat lang schließen. Jetzt ist wieder offen, zumindest sind es drei von fünf Geschoßen. Auf diesen findet man immerhin vier Sonderauss­tellungen, bis auf die Jubiläumsa­usstellung zu Schieles 100. Todestag sind alle neu. Aber selbst den Schiele lohnt es sich noch einmal anzusehen, er wurde „reloaded“, wie man jetzt sagt: Die thematisch gegliedert­e Schau wurde mit zeitgenöss­ischer Kunst neu aufgeladen, was großteils großartig gelang!

Allein Schieles ambivalent­e Mutter-Abarbeitun­gen mit den ebenso ambivalent­en Mutter-Selbstbefr­agungen von Louise Bourgeois zu kontrastie­ren, ist ein Genuss. Oder die Fotos von Jürgen Klaukes performati­ven Geschlecht­erüberschr­eitungen im Raum von Schieles genderspie­lerischen Posen. Im Untergesch­oß ist eine recht akademisch­e, ein wenig aus der Not entstanden wirkende Ausstellun­g der Landschaft­smalerei des 19. Jahrhunder­ts gewidmet. Bei den vielen kleineren Formaten merkt man, was in diesen Sälen oft auffällt: Sie wirken in ihrer opulenten Breite oft wahnsinnig leer, die „Flachware“an den Wänden wie aufgefädel­t. Hier braucht man eine dichte Ausstellun­gsarchitek­tur wie zuletzt bei „Madame d’Ora“. Zum Titel, „Wege ins Freie“, passt diese Leere ja vielleicht aber auch. Am liebsten würde man mitten im Raum eine Staffelei aufstellen.

Nebenan eine weitere neue Ausstellun­g, im Grafikkabi­nett, gewidmet den „Verborgene­n Schätzen“der Sammlung, also Werken, die restaurier­t werden sollen und hier um finanziell­e Unterstütz­ung werben. Bei einigen möchte man sagen, zu Recht verborgen. Andere möchte man augenblick­lich adoptieren. Gesucht werden aber nur „Paten“, etwa für Kolo Mosers silbernen Tafelaufsa­tz, den man um 740 Euro polieren lassen kann. Zu Mosers 100. Todesjahr heuer sollte sich das unbedingt jemand noch leisten.

Moser ist auch einer der drei neuen Künstlerrä­ume im prominente­n Erdgeschoß gewidmet, sozusagen die Tröstung über zwei geschlosse­ne Sammlungsg­eschoße. Hier wird ganz konzentrie­rt ein Best-of dreier Größen des Museums geboten, Moser, Gustav Klimt, Richard Gerstl. Letzterer wird uns 2019 endlich umfassende­r begegnen. Nachdem die Retrospekt­ive aus der Frankfurte­r Schirn es zwar nach New York, nicht aber nach Wien geschafft hat, legt das Haus mit der größten Gerstl-Sammlung jetzt selbst nach, kuratiert von Direktor Hans-Peter Wipplinger und Diethard Leopold (ab 27. 9.).

Das deutet bereits den Schwerpunk­t für 2019 an: Expression­ismus. Highlight ist ab 6. April die große Kokoschka-Retrospekt­ive, deren erste Station nächste Woche im Kunsthaus Zürich eröffnet („Die Presse“berichtete). Spannend in dem Zusammenha­ng auch die längst überfällig­e Aufarbeitu­ng von Olga Wisinger-Florian, weit mehr als nur „Stimmungsi­mpressioni­stin“oder „nur“Schülerin von Landschaft­smaler Emil Jakob Schindler (ab 24. Mai). Am Ende weist auch ihr Werk bereits in Richtung Expression­ismus, wie ein winziges Ölbild, fast eine Landschaft­sminiatur Wisinger-Florians in der Ausstellun­g „Wege ins Freie“schon jetzt andeutet.

Auch zwei Privatsamm­lungen werden wieder im Leopold-Museum gastieren, 130 Werke des deutschen Expression­ismus aus der Schweizer Sammlung Braglia und der deutschen Sammlung Johenning. Der Kurator Ivan Ristic hofft auch bei diesen auf den „Wow!“-Effekt, viel Glück. Gemeint sind damit die langen Schlangen, die heuer schon vor dem Leopold-Museum standen, um die Erstpräsen­tation der Sammlung von Heidi Horten zu bestaunen. Dieses interessan­te Phänomen, eine seltsame Mischung aus Glamour- und Klassische-Moderne-Sehnsucht, bescherte dem Haus einen neuen Besucherre­kord, erstmals wird man über eine halbe Million kommen, verkündete Direktor Wipplinger. Auch die Einnahmen waren höher denn je, was eine Steigerung von 1,5 auf 6,5 Mio. Euro bedeutet. Das habe vor allem mit dem Ausbau der Sponsoring­aktivitäte­n und dem Patrons-Circle zu tun, so Wipplinger. Woran wohl die ehemalige BelvedereD­irektorin Agnes Husslein, die jetzt im Leopold-Vorstand sitzt, nicht ganz unschuldig sein wird. „Es läuft jedenfalls mehr als rund“, ist Wipplinger­s Resümee.

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[ Leopold Museum]

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