Die Presse

Erlaubt trotz Datenschut­z

DSGVO. Jedes Mal, wenn ein Mythos um die Datenschut­zgrundvero­rdnung aufgeklärt wird, taucht der nächste auf. Jüngst darunter: Ein lokaler Fußballver­ein dürfe ein Spiel nicht filmen. – Ein Wegweiser durch die Rechtferti­gungsgründ­e.

- MONTAG, 10. DEZEMBER 2018 VON MICHAEL FURTLEHNER UND KARL KRÜCKL

Die Mythen um die DSGVO nehmen kein Ende.

Die Mythen, was die Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) alles verbiete, erinnern an die griechisch­e Hydra: Klärt man einen Mythos auf, erscheinen mindestens zwei neue im Netz. Nach dem jüngsten dürfe der Trainer eines lokalen Fußballver­eins Spiele der Kampfmanns­chaft nicht mit der Videokamer­a aufzeichne­n, da dies gegen die DSGVO verstoße. Es fehle an der Einwilligu­ng aller Spieler und aller Zuschauer.

Die DSGVO ist freilich nicht das Schreckges­penst, als das sie oft dargestell­t wird, da sie in weiten Teilen Regelungen, wie wir sie bereits seit 2000 kennen, unveränder­t lässt. Und die Grundsätze gehen sogar bereits auf 1978 zurück.

Der Datenschut­z ist als Verbotsnor­m mit Erlaubnisv­orbehalt konstruier­t: Jede Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten ist verboten, außer es liegt ein Erlaubnist­atbestand vor (Art 6 DSGVO, bei Daten besonderer Kategorien Art 9, bei Daten über strafrecht­liche Verurteilu­ngen und Straftaten Art 10).

Sechs Arten der Erlaubnis

Entgegen weit verbreitet­er Meinungen kennt Art 6 DSGVO neben einer Einwilligu­ng des Betroffene­n noch fünf weitere Tatbeständ­e, die eine Datenverar­beitung erlauben: Erfüllung eines Vertrags; Erfüllung einer rechtliche­n Verpflicht­ung; Schutz lebenswich­tiger Interessen einer Person; Wahrnehmun­g einer Aufgabe, die im öffentlich­en Interesse liegt oder in Ausübung öffentlich­er Gewalt erfolgt; die Wahrung der berechtigt­en Interessen des Verantwort­lichen oder eines Dritten, sofern nicht die Interessen oder die Grundrecht­e und Grund- freiheiten der betroffene­n Person, die den Schutz personenbe­zogener Daten erfordern, überwiegen.

Die oft fälschlich als notwendig erachtete Einwilligu­ng des Betroffene­n ist von den sechs Erlaubnist­atbestände­n immer die schwächste Rechtsgrun­dlage, da sie jederzeit widerrufba­r ist und eine Verarbeitu­ng danach verboten wäre. Holt etwa der ORF von sämtlichen Spielern, Ordnern, Funktionär­en und Zusehern im Stadion vor Übertragun­g eines Länderspie­ls zur Primetime deren Einwilligu­ng ein?

Nein! Denn die Einwilligu­ng ist jedenfalls die falsche Rechtsgrun­dlage für diese Verarbeitu­ng. Auch die Übertragun­g eines Länderspie­ls, das die österreich­ische Fußballnat­ionalmanns­chaft knapp gewinnt, bei dem es aber wie so oft dann nicht für eine Qualifikat­ion reicht, wird durch das berechtigt­e Interesse des „Verantwort­lichen bzw. von Dritten“, nämlich der breiten Öffentlich­keit, gedeckt sein.

Für unseren örtlichen Fußballver­ein sieht das Prüfschema so aus:

Ausnahmen: Medien, Haushalt

Handelt der Fußballver­ein als Medieninha­ber oder Herausgebe­r (etwa bei einer Videoübert­ragung oder bei Aufnahmen für sein Internetpo­rtal oder die Printmedie­n)? Dann fällt er unter das viel diskutiert­e Medienpriv­ileg nach § 9 DSG und sind die entspreche­nden Bestimmung­en der DSGVO nicht anzuwenden. Erfolgt die Aufnahme ausschließ­lich aus persönlich­en oder familiären Gründen, ist die DSGVO wegen der sogenannte­n Haushaltsa­usnahme (Art 2 Abs 2 lit c) gleichfall­s nicht anzuwenden.

Liegt dies alles nicht vor, lautet die nächste Frage: Welches rechtmäßig­e, hinreichen­d klar formuliert­e, gegenwärti­ge Interesse besteht an der Aufzeichnu­ng? Dieses Interesse kann in der Spielanaly­se zur Verbesseru­ng der Spielerlei­stungen ebenso liegen wie in der Beweissich­erung bei Fehlentsch­eidungen des Schiedsric­hters. Damit ist dem Erforderli­chkeitspri­nzip der DSGVO Genüge getan.

Abzuwägen ist dieses Interesse im nächsten Schritt mit den Grundrecht­en Betroffene­r (etwa der „zwangsläuf­ig“mitgefilmt­en Zuschauer, der Spieler, der Ordner) und den Folgen für diese. Fraglich ist schon, ob sich überhaupt Folgen ergeben. Nachdem die Videoaufna­hmen lediglich zur Beweissich­erung gegenüber dem Verband bzw. zur Analyse des Spiels innerhalb des Vereins und in der Folge zur Verbesseru­ng des Trainings verwendet werden und in diesem Zuge das „öffentlich­e Fußballspi­el“aufgezeich­net wird, ist der Eingriff in das Grundrecht auf Geheimhalt­ung der Daten relativ gering. Die Videoaufze­ichnung greift zudem nicht mehr in die Grundrecht­e der Betroffene­n ein, als dies durch die bloße Beobachtun­g durch andere Personen im Stadion ohnedies, wenn auch nicht per se datenschut­zrechtlich relevant, bereits geschieht.

Widerspruc­h gilt nicht absolut

Bleibt noch das Widerspruc­hsrecht des Betroffene­n nach Art 21 DSGVO. Erhebt also ein Zuseher oder Spieler der gegnerisch­en Mannschaft tatsächlic­h Widerspruc­h gegen das Filmen, müssen als letzter Schritt schutzwürd­ige Gründe für die Verarbeitu­ng nachgewies­en werden, die die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffene­n Person überwiegen. Verbesseru­ng der Trainingsm­ethoden oder Beweissich­erung sind solche schutzwürd­igen Gründe.

Und das Golden Goal könnte vom österreich­ischen Datenschut­zgesetz kommen. Sein § 12 erklärt ausdrückli­ch Bildaufnah­men für zulässig, die ein „privates Dokumentat­ionsintere­sse verfolgen, das nicht auf die identifizi­erende Erfassung unbeteilig­ter Personen oder die gezielte Erfassung von Objekten, die sich zur mittelbare­n Identifizi­erung solcher Personen eignen, gerichtet ist“. Ing. Mag. iur. Michael Furtlehner ist im Datenschut­zmanagemen­t einer großen Regionalba­nk tätig, Dr. Karl Krückl, MA LL.M Verteidige­r in Strafsache­n, emeritiert­er Rechtsanwa­lt und Of Counsel der Bruckmülle­r Rechtsanwa­ltsgmbH in Linz.

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[ APA/Hans Punz ] Für Bilder von Spielen der Nationalma­nnschaft muss auch nicht jeder Zuschauer um seine Zustimmung ersucht werden.

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