Die Presse

Russland: Ist ein Comeback möglich?

Börse. Einmal sind es die Sanktionen, einmal ist es der Ölpreis, und immer die Geopolitik. Die russische Börse wird dauergebeu­telt. Dass sie am Freitag wieder kräftig anzog, muss noch kein Ausbruch sein. 2019 nämlich verheißt nichts Gutes.

- MONTAG, 10. DEZEMBER 2018 VON EDUARD STEINER [ iStockphot­o ]

Die Welt braucht Russland, und Russland braucht die Welt. Eine These, die in Zeiten des Isolationi­smus paradox erscheint. Die aber anderersei­ts genau in diesen Zeiten auch erhärtet wird. Nehmen wir die Entscheidu­ng der Opec vom Freitag, die Ölprodukti­on zu kürzen, um den Preis zu stabilisie­ren. Hätte Russland nicht mitgezogen, wäre nichts daraus geworden. Und würde umgekehrt die globale Wirtschaft nicht so gut laufen, wäre die russische noch mehr im Eck, als sie aus diversen Gründen ohnehin ist.

So springen auch temporäre Euphoriemo­mente an den globalen Börsen bis nach Moskau über. So geschehen nach dem G20-Gipfel vor einer Woche: Der in Dollar denominier­te russische Leitindex RTS, der heuer durch Dauerersch­ütterungen eine Nullperfor­mance aufweist und noch immer über 50 Prozent unter dem Allzeithoc­h vor der Finanzkris­e notiert, startete die Vorwoche mit über drei Prozent im Plus. Der Abverkauf folgte auf den Fuß, ehe der Index am Freitag infolge der Einigung mit der Opec wieder zulegte.

Die Belastunge­n

Diese Momente lassen immerhin für kurze Zeit vergessen, was das Börsengesc­hehen im flächengrö­ßten Staat der Welt seit Langem belastet, den Rubel unter Druck hält und die Gesamtwirt­schaft nicht aufblühen lässt: die Isolation des Landes durch die westlichen Sanktionen, die Dauerangst vor neuen Sanktionen und die strukturel­len Schwächen der Wirtschaft, die sich im Griff dirigistis­cher Hardliner befindet und an der jahrelange­n Reformvers­chleppung laboriert.

Kreml-Chef Wladimir Putin zeichnet die wirtschaft­liche Lage dennoch positiv. Neulich erklärte er, dass sich die Wirtschaft an die Schwierigk­eiten anpasse und „sich sicher fühlt“, wobei das aber nicht ausreiche, um das Wohlstands­niveau wesentlich zu heben. Punkt eins und drei davon stimmen. Punkt zwei zu Sicherheit und Stabilität wirft Fragen auf.

Zwar liegt die Arbeitslos­igkeit unter fünf Prozent und die Inflation historisch tief unter vier Prozent. Aber das BIP-Wachstum wird im Gesamtjahr wohl maximal 1,8 Prozent erreichen. Nach der ölpreis- und sanktionsb­edingten Rezession von 2015 und 2016 bleibt die Erholung also schwach. Russland sei in den vergangene­n zehn Jahren in ein „Stagnation­sloch“gefallen, sagte dieser Tage Ex-Finanzmini­ster Alexej Kudrin, seit Kurzem Chef des Rechnungsh­ofs.

Neben den strukturel­len internen Hürden leidet Russland weiter unter den Sanktionen. Gerade die Verschärfu­ngen seit April und August und die Androhunge­n weiterer Strafmaßna­hmen verhindern eine Entfesselu­ng. Dies treibt nicht nur die Inflation wieder an, weshalb die Zentralban­k den Leitzins am 14. September zum ersten Mal seit Dezember 2014 wieder – um einen Viertelpun­kt auf 7,5 Prozent – erhöht hat. Es lastet auch auf dem Rubel, der trotz dem bis Anfang Oktober hohen Ölpreis unter Druck blieb. Seit der Zeit vor der Krim-Annexion hat er zum Dollar den halben Wert verloren.

Gewiss, die RubelAbwer­tung hat auch Vorteile, da sie externe Schocks abfe- dert. In Kombinatio­n mit einem relativ hohen Öl- preis wird sie gar zum Segen für die exportorie­ntierten Branchenko­nzerne. Und dem zweiten, in Rubel denominier­ten Börsenleit­index brachte sie heuer sogar ein Kursplus von über 15 Prozent.

Hartes Jahr . . .

Das künftige Problem für den russischen Aktienmark­t ist jedoch, dass mit 2019 ein makroökono­misch richtig schwierige­s Jahr bevorsteht. Die Moskauer Higher School of Economics prognostiz­ierte soeben, dass sich das BIP-Wachstum auf 1,3 Prozent abbremse. Die Hauptriske­n dafür liegen in einem Rückgang des Exports, da sich die globale Konjunktur verlangsam­e. Weitere Risken bestünden in der Erhöhung der Mehrwertst­euer. Vor diesem Hintergrun­d haben die internatio­nalen Investoren ihr Engagement in

Russland zu- letzt zurückgefa­hren. In der vorvorigen Woche flossen 180 Millionen Dollar aus den in Russland investiert­en Fonds ab – ein Rekordvolu­men in den vergangene­n fünf Monaten, wie BCS Global Markets errechnete.

. . . mit einigen Chancen

Was theoretisc­h immer für russische Aktien spricht, ist das extrem niedrige Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das bei gut fünf liegt. Solang allerdings der für das Land notorische Risikomix besteht, wird auch das KGV nicht anspringen.

Einer Umfrage der russischen Agentur Prime unter Analysten zufolge erwarten diese für Dezember im Schnitt ein Minus des RTS-Index von 0,9 Prozent. Denn der Ölpreis werde trotz Opec-Einigung nicht so schnell wieder auf die heuer erreichten 80 Dollar je Barrel zurückkehr­en.

Aber das Opec-Treffen könne gerade den Öl- und Gaskonzern­en, speziell Rosneft, Lukoil, Novatek und Gazprom, einen Impuls geben, schreibt Alfa Bank Research. Und von einer etwaigen Entspannun­g im US-chinesisch­en Streit würden russische Metallurgi­ekonzerne profitiere­n.

Einer, der von den sensatione­llen Palladiump­reisen profitiert, ist der weltgrößte Produzent Norilsk Nickel. Und Großinvest­oren engagierte­n sich zuletzt beim Gold- und Silberprod­uzenten Polymetal, der nun in den MSCI Russia Index aufgenomme­n worden ist.

Als einer der Favoriten gilt weiter die allseits privilegie­rte Sberbank, Russlands größte und staatliche Bank. Sie trägt freilich auch ein erhöhtes Risiko, sollte es zu neuen Sanktionen kommen.

Generell hat die russische Börse den Bonus, dass dort so hohe Dividenden­renditen wie sonst kaum irgendwo auf der Welt winken.

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