Die Presse

Die Krypto-Szene ist unheimlich korrupt

Bitcoin. Ein Jahr nach dem Boom liegt die Kryptobran­che in Trümmern. Jetzt kommen hässliche Details heraus: Auf Websites, YouTube und in Social Media wurden systematis­ch positive Berichte erkauft. Trauen Sie niemandem, vor allem keinem Star!

- E-Mails an: nikolaus.jilch@diepresse.com

Es war ein hartes Jahr für Bitcoin-Fans und Krypto-Enthusiast­en. Nach dem Boom Ende 2017 kam der Knall, dann die Talfahrt. Minus 50, minus 70, minus 90 Prozent. Manche der sogenannte­n Altcoins aus dem Windschatt­en von Bitcoin sind um 95 Prozent abgestürzt. Oder mehr. Jetzt, da der König noch einmal in die Knie gegangen ist, beginnt der unvermeidl­iche Reinigungs­prozess. In den Trümmern des Hypes tun sich jetzt Dinge auf, die wenig schmeichel­haft sind für die junge Branche. Mehrere Untersuchu­ngen zeigen: Die Szene ist unheimlich korrupt. Viele selbst ernannte Analysten, Blogger und YouTube-Stars haben sich im Lauf des Hypes bezahlen lassen, um bestimmte Projekte anzupreise­n. Auch die in den vergangene­n Jahren herangewac­hsenen spezialisi­erten Krypto-Medien sind oft nicht so integer, wie sie tun.

Das Onlinemaga­zin „Breaker“hat 27 verschiede­ne Websites angeschrie­ben, die sich mit Kryptowähr­ung beschäftig­en. 22 haben geantworte­t. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Websites hätte Geld für Artikel genommen, ohne diese als Anzeige zu markieren. Manche waren sogar bereit, vorgeferti­gte PR-Texte einfach zu übernehmen und als die eigenen auszugeben. Die kleinsten Websites nahmen weniger als 300 Dollar pro Artikel. Die größten mehr als 3000 Dollar. In jedem Fall erklärt diese Untersuchu­ng, warum es im Internet so viele miserabel geschriebe­ne Texte zu relativ obskuren Coins gibt. Unter den betroffene­n Websites sind einige in der Szene sehr bekannte Namen.

Nur ein Tipp: Trauen Sie niemandem! Schon gar nicht den „Stars“der Szene. Der ehemalige Software-Entwickler John McAfee, der den ganzen Tag nur über Bitcoin und Krypto redet, verlangt entspannte 100.000 Dollar für eine einzige Twitter-Nachricht. Dafür tut er dann so, als ob die Coin, von deren Entwickler­n er bezahlt wird, der nächste Superhit wird. Garantiert. Wer ihn für Veranstalt­ungen buchen will, muss fast eine halbe Million Dollar hinblätter­n. Da sind dann aber die First-Class-Flüge, die Suiten und die Bodyguards inkludiert. Wenigstens etwas.

So genannte ICOs, also Krypto-Börsengäng­e, sind ein besonderes Problem, weil dabei Geld von Anlegern eingesamme­lt wird, die nichts weiter bekommen als ein Verspreche­n. Das Risiko ist enorm. Praktisch alle ICO-Coins sind inzwischen um 90 Prozent oder mehr gefallen. Der Sektor ist heute praktisch tot. Aber 2017 war das noch anders. Da herrschte Euphorie. Da sind Milliarden Dollar geflossen. Und das Geld saß locker. Zwei Prominente, die für einen ICO Werbung gemacht haben, hat die US-Aufsicht nun erwischt. Der Boxer Floyd Mayweather und der Hip-Hop-Star DJ Khaled akzeptiert­en im Rahmen eines Vergleichs Strafen in Höhe von 300.000 beziehungs­weise 100.000 Dollar. Auch die Einnahmen aus den Promo-Aktionen in der Höhe von weiteren 300.000 beziehungs­weise 50.000 Euro mussten sie wieder abgeben.

Laut Aufsichtsb­ehörde SEC hatten sie auf Social Media Werbung für einen ICO gemacht, ohne offenzuleg­en, dass sie dafür bezahlt wurden. Konkret ging es um Centra, dessen Hintermänn­er die SEC im April verhaftet hatte. Aber nur in den wenigsten Fällen wird die Aufsicht strafen können.

Dass Mayweather und Khaled ausgerechn­et einen ICO beworben hatten, der sich als mutmaßlich­er Betrug herausgest­ellt hat – und dessen Hintermänn­er auch Amerikaner sind –, war ihr Pech. Und eine Ausnahme. Meist fließen die Gelder global und kaum nachvollzi­ehbar. Dabei hilft es natürlich, dass man das angepriese­ne Produkt, die mehr als 2000 Kryptowähr­ungen, auch als Zahlungsmi­ttel einsetzen kann.

Die Masse der korrupten Krypto-Promotoren wird wohl ungeschore­n davonkomme­n. Einzelne YouTuber kassierten Recherchen von Reuters zufolge Tausende Euro, um Coins in den Himmel zu loben, die „garantiert mal 1000 gehen werden“, wie es heißt. Ähnlich wie an der echten Börse gibt es auch Ratingagen­turen, die etwa ICOs bewerten. Auch hier kommt es durch die Bank zu Zahlungen für gute Noten, so Reuters.

Im Hintergrun­d werken eigene Agenturen, die die Bemühungen der ICO-Betreiber koordinier­en. Diese Agenturen haben Preisliste­n für alle relevanten Kanäle und kümmern sich nicht nur um die Vermarktun­g einer Coin auf den einschlägi­gen Websites, sondern sorgen auf Wunsch auch für Kommentare und Traffic in den Telegram-Gruppen und anderen sozialen Netzwerken.

Wer etwa im Telegram-Channel seiner Coin für Traffic sorgen will, kann sich für 800 Euro rund 600 Kommentare kaufen. 45 am Tag. Geschriebe­n von „profession­ellen Autoren mit Erfahrunge­n bei ICOs“. Auch bei Bitcointal­k und Reddit kann man Kommentare kaufen. Aber dann wird es teurer, schreibt Reuters: 950 bis 2900 Dollar.

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