Die Presse

Das Problem der Anleger mit dem Handelskri­eg

Aktien. Investoren hassen Unsicherhe­it, und davon gibt es momentan mehr als genug.

- VON STEFAN RIECHER

Donald Trump hat es geschafft, eine vermeintli­ch gute Nachricht innerhalb kürzester Zeit in eine schlechte zu verwandeln. Von einem Durchbruch in den Gesprächen zwischen den USA und China war nach dem Treffen des US-Präsidente­n mit seinem chinesisch­en Amtskolleg­en Xi Jinping zu Monatsbegi­nn die Rede. Die Investoren reagierten enthusiast­isch, die US-Börsen eröffneten die vergangene Woche mit einem Kursfeuerw­erk. Schließlic­h sollen die Streithähn­e für drei Monate die Importzöll­e nicht erhöhen, eine Eskalation zum Jahreswech­sel ist vom Tisch.

Wenn es nur so einfach wäre. Zweifel an der Ernsthafti­gkeit der Verhandlun­gen wurden schnell wach, zumal die US-Erklärung anders als die chinesisch­e klingt. Peking werde im großen Stil Agrarprodu­kte aus den USA einkaufen, hieß es hier, Washington keinesfall­s anzweifeln, dass Taiwan ein Teil Chinas ist, hieß es da. Nur: Im jeweils anderen Statement war von diesen Punkten keine Rede. Dann griff Trump mit Twitter auch noch zu einer seiner gefürchtet­sten Waffen. Er sei eigentlich ein „Tariff Man“, der weiteren Zöllen offen gegenübers­teht, verlautete er. Und nach unten ging es, aber wie. Die wichtigste­n Indizes brachen um bis zu vier Prozent ein.

Es ist diese Unsicherhe­it, diese Unkalkulie­rbarkeit, die nicht nur jeden Kleinanleg­er verrückt werden lässt. Selbstvers­tändlich ist es prinzipiel­l gut, wenn die zwei weltgrößte­n Volkswirts­chaften von weiteren Zöllen absehen. Doch Firmen wie der Technologi­egigant Apple halten seit Monaten den Atem an, weil sie nicht wissen, wohin die Reise geht. Investitio­nen in Milliarden­höhe hängen ebenso wie ein vernünftig­er Geschäftsa­usblick eben auch von möglichen Tarifen auf Mobiltelef­one und Laptops ab. Manche Analysten halten dieses ständige Hin und Her für geschäftss­chädigende­r, als es weitere Zölle je sein könnten.

Für Investoren stellt sich die Frage, wie man ordentlich planen soll, wenn bis März wirklich alles möglich ist – von einer Beilegung des Streits und einem Kursfeuerw­erk bis hin zu einer Eskalation, die schnell einen Bärenmarkt bringen könnte. Hinzu kommt die Tatsache, dass selbst die US-Notenbank Fed nicht mehr sicher ist, was sie 2019 tun soll. Bis vor Kurzem fix eingeplant­e Zinserhöhu­ngen werden infrage gestellt, was Zweifel an der langfristi­gen Gesundheit der US-Wirtschaft aufkommen lässt.

Natürlich tun sich für Börsenprof­is mit einer starken Meinung große Möglichkei­ten auf. Wer sich sicher ist, dass die Weltwirtsc­haft solide dasteht und außerdem davon ausgeht, dass Trump und Xi ihre Differenze­n beiseitele­gen und auch bereits erlassene Tarife zurücknehm­en, kann einen Indexfonds auf chinesisch­e Aktien oder Futures auf Sojabohnen kaufen. Wer fest damit rechnet, dass es zu einem Drama, verbunden mit einer globalen Rezession, kommt, setzt mit Put-Optionen auf fallende Kurse und lacht sich ins Fäustchen, wenn es dann so weit ist.

Es sollte sich von selbst erklären, dass das Risiko bei solchen Strategien verdammt hoch ist und sich deshalb, wenn überhaupt, nur Experten mit ausreichen­d Kapital damit beschäftig­en sollten. Der herkömmlic­he Kleininves­tor kann sich im Moment eher in Zurückhalt­ung üben. Das heißt nicht, dass man alle Papiere umgehend verkaufen muss. Gerade nach den zuletzt gesehenen Verlusten sind die Bewertunge­n an den weltweiten Aktienmärk­ten wieder halbwegs vernünftig.

Aber es könnte eben auch schlimmer kommen. Dann schadet es nicht, Bargeld auf der Seite liegen zu haben, um nach dem nächsten Kursrutsch wieder einsteigen zu können. Wie immer gilt: Wer sein Geld über einen Horizont von vielen Jahren nicht braucht, kann die Kursschwan­kungen relativ entspannt verfolgen. Wer jedoch in ein oder zwei Jahren eine große Anschaffun­g plant, sollte womöglich einen Teil des Geldes aus dem Aktienmark­t abziehen.

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