Die Presse

Juristenve­rband in Turbulenze­n

Streit um Entlassung einer langjährig­en Mitarbeite­rin belastet Vereinsleb­en schwer. „Nach 70 Jahren muss man bereit sein für Erneuerung­en“, meint Marika Lichter.

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Leider kann das Präsidium aufgrund der finanziell­en Situation immer noch nicht entlastet werden.“Mit diesen Worten begründen die Rechtsanwä­lte Fritz Wennig, Präsident des Juristenve­rbands, und Thomas Singer, einer der Vizepräsid­enten und Kassier, warum eine für nächste Woche geplante Generalver­sammlung nicht stattfinde­n könne. In einem Ende voriger Woche verschickt­en Schreiben kündigten sie eine Verschiebu­ng auf „voraussich­tlich“den 14. März 2019 an. Es ist nicht die erste Verschiebu­ng, und, was schwerer wiegt, es ist Ausdruck eines Zerwürfnis­ses im Verband, in dem die Neuwahl des Präsidiums ansteht.

Vor 70 Jahren gegründet, verbindet der Verband 2500 Juristen aller Berufsgrup­pen, wie seine vier Clubs zeigen: Rechtsanwä­lte, Konzipient­en, Justiz und Allgemeine Juristen. Gesellscha­ftlicher und finanziell­er Höhepunkt ist der alljährlic­he Juristenba­ll: ein gediegenes Fest, das immer am letzten Samstag des Faschings in der Wiener Hofburg gefeiert wird, zuletzt aber weniger Zuspruch fand. Genau das dürfte die Probleme im Verband ausgelöst haben.

Wennig kam nämlich auf die Idee, seine Langzeitbe­kannte Marika Lichter zu engagieren, um dem Ball neuen Schwung zu geben. Die Begeisteru­ng über den Einsatz der Künstlerin und Musikmanag­erin hielt sich bei vielen Ballbesuch­ern im heurigen Februar in Grenzen: Bei einer mitternäch­tlichen Tombola, in der unter anderem Teppiche und Fußballtic­kets zu gewinnen waren, wurde Lichter ausgebuht. Besonders unglücklic­h war auch Generalsek­retärin Susanne Schöner, Mitte 70 und seit fünf Jahrzehnte­n Seele des Verbands. Sie Ballmutter zu nennen ist untertrieb­en. Sie ist der Juristenba­ll.

Genauer war sie es, denn am 1. Juni setzten Wennig und Singer die Dame kurzerhand vor die Tür: Ohne zuvor das ganze Präsidium zu befassen, entließen sie Schöner und lösten damit einen Proteststu­rm aus. Dieser entlud sich in einer Generalver­sammlung am 27. August. Denn eine sachliche Rechtferti­gung für die rigide Maßnahme war nicht ersichtlic­h. Es war zwar von einer fehlenden Ballabrech­nung die Rede, von einem unaufgeräu­mten Schreibtis­ch; im Hintergrun­d dürfte aber die Sorge gestanden sein, Schöner bei einem geordneten Abschied rund 100.000 Euro Abfertigun­g zahlen zu müssen.

Mittlerwei­le sind zwei Prozesse anhängig, in denen es um mehr als doppelt so viel geht: Denn sollte Schöner die Entlassung erfolgreic­h bekämpfen, käme nebst Urlaubsgel­d eine Kündigungs­entschädig­ung hinzu. Der Streit dreht sich mittlerwei­le auch um die Finanzgeba­rung der vergangene­n Jahre, in der eine Steuerbera­tungskanzl­ei Ungereimth­eiten festgestel­lt haben will.

Eduard Strauss, Senatspräs­ident am OLG Wien und Mitglied des Präsidiums, findet die Vorgangswe­ise gegen Schöner „unmoralisc­h“. Sollte ihr, was Strauss bezweifelt, etwas vorzuwerfe­n sein, hätte man sie zuallerers­t – nötigenfal­ls nach einer Suspendier­ung – in eine Präsidiums­sitzung bitten und dazu befragen müssen. Das geschah bis dato nicht, auch deshalb, weil trotz der stürmische­n Zeiten seit Mitte Juni nur eine einzige Präsidiums­sitzung stattfand, nämlich eine eilig am 26. November für den Folgetag einberufen­e.

Die Vorbereitu­ngen für den nächsten Ball (2. März) laufen indessen auf Hochtouren. Es gehe dem Ball „ausgezeich­net“, sagt Lichter. Sämtliche Logen im Festsaal seien ausgebucht. Sie räumt ein, dass der neue Stil „den ganz alten Leuten und Stammgäste­n“vielleicht weniger gut gefallen haben mag. „Aber nach 70 Jahren muss man ein bisschen bereit sein für Erneuerung­en.“

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