Die Presse

Plötzlich hat sie gute Laune!

Jazz. Die Amerikaner­in Madeleine Peyroux sang in Wien melancholi­sche, aber auch fröhliche Lieder. Für manche mitunter gewöhnungs­bedürftig.

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Ihre sanfte Stimme huschte behutsam zwischen liebevoll erzeugtem Soundgeröl­l herum, um im Song „Lullaby“eine Botschaft zu befördern, die die Kraft der Musik zelebriert. Es sind ja oft die traurigste­n Lieder, die den größten Trost spenden. Das tat Madeleine Peyroux 1996 mit ihrem Debüt „Dreamland“. Mit diesem Album hat sich Peyroux sofort an die Spitze der Herzausrei­ßer katapultie­rt. Ihre wenig variations­reiche Stimme punktete mit zartestem Schmelz. Der plötzlich eintretend­e Erfolg verstörte sie. Statt in den großen Häusern sang sie plötzlich wieder auf der Straße. Erst 2004, mit „Careless Love“, wagte sie die Weltkarrie­re.

Mit einem Song daraus, dem nachdenkli­chen „Don’t Wait Too Long“, begann sie ihr Gastspiel im Wiener Porgy & Bess. „Wow“, rief sie aus, als sie die streng eingeschli­chteten Menschen erblickte, „das ist ja ein richtiger Jazzclub. Mehr Leute im Publikum als auf der Bühne . . .“Diese Bemerkung deutete an, dass sich da etwas verschoben hat. Ihre Melancholi­e ist einer guten Laune gewi- chen, die für viele gewöhnungs­bedürftig ist. Und noch etwas: Peyroux, die begnadete Interpreti­n, komponiert nun viele ihrer Lieder selbst. Gemeinsam mit Partnern. Etwa mit Walter Becker, der einst bei Steely Dan wirkte. Oft mit Larry Klein, der ihre Alben produziert. Das ist gut, reicht aber nicht an jene Songs heran, die Peyroux etwa von Leonard Cohen oder Ray Charles im Repertoire hat. So geriet der Mittelteil ihres Konzerts etwas langatmig. Eigene Songs wie das amerikakri­tische „Brand New Deal“drangen nicht richtig in die Herzen vor. Wenn es gar zu gut gelaunt wurde, etwa in „Honey Party“, einem ein wenig albernen Liebeslied einer Honigbiene, dann wurde den Melancholi­kern im Publikum ein wenig blümerant.

Richtig groß wurde es wieder im Finale. Leonard Cohens „Anthem“trug sie zart experiment­ell vor, „Dance Me to The End of Love“mit dem richtigen Maß an Schwermut. Highlight des Abends war das einst auch von Billie Holiday gesungene „Getting Some Fun Out of Life“. Standing Ovations! (sam)

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