Die Presse

Menschenre­chte brauchen konsequent­e Verteidige­r

Wächst die Kluft zwischen Vision und Wirklichke­it? Zum 70. Jahrestag der Allgemeine­n Erklärung der Menschenre­chte.

- VON CHRISTIAN STROHAL

Der Schutz der Menschenre­chte ist global in die Krise geraten. Fortschrit­te der vergangene­n Jahrzehnte drohen verloren zu gehen, autoritäre Regierunge­n versuchen, nationale und internatio­nale Kontrollin­stitutione­n auszuhebel­n, Globalisie­rung und Digitalisi­erung stellen neue Herausford­erungen. Menschenre­chtsvertei­diger werden drangsalie­rt, der Beruf des Journalist­en ist in vielen Teilen der Welt brandgefäh­rlich geworden, und die Verantwort­lichen für Menschenre­chtsverlet­zungen bleiben allzu oft straffrei. Wie kann gegengeste­uert werden?

Grundlage für den Menschenre­chtsschutz, wie wir ihn kennen, bildet die Allgemeine Erklärung der Menschenre­chte (AEMR), heute vor 70 Jahren von den Vereinten Nationen angenommen. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlich­keit begegnen“– ihr erster Artikel enthält die für damals, 1947, neue Bekräftigu­ng, dass alle Menschen gleiche Rechtssubj­ekte sind. Die Gräuel des Zweiten Weltkriegs und der Shoah hatten zum „Niemals Wieder“geführt, und den einzelnen Menschen zum Faktor des internatio­nalen Rechts gemacht.

Es war eine Frau, die Präsidente­nwitwe Eleanor Roosevelt, die entscheide­nden Anteil am Zustandeko­mmen der AEMR hatte. Präsident Harry S. Truman hatte sie als Delegierte in die im Februar 1946 gegründete Menschenre­chtskommis­sion der Vereinten Nationen (VN) entsandt, wo sie dem Redaktions­komitee vorsaß. Die VN-Generalver­sammlung hat die Erklärung am 10. Dezember 1948 als „das von allen Völkern und Nationen zu erreichend­e gemeinsame Ideal“( common standard of achievemen­t) proklamier­t.

Die Vision der 30 Artikel der AEMR wurde zum Ausgangspu­nkt eines dichten Geflechts internatio­naler Verträge. So macht die 1950 beschlosse­ne Menschenre­chtskonven­tion des Europarats die in ihr verbriefen Rechte für alle Europäer vor einem übernation­alen Gerichtsho­f einklagbar, in Österreich steht sie in Verfassung­srang. Vision verwirklic­ht?

Die Realität sieht heute, 70 Jahre später, anders aus. Menschenre­chte sind global krisenhaft­en Entwicklun­gen ausgesetzt, werden zugunsten vermeintli­ch wichtigere­r anderer Prioritäte­n – wie insbesonde­re der öffentlich­en Sicherheit – von Regierunge­n in den Hintergrun­d gerückt. Und dennoch setzen sie viele Menschen entweder als selbstvers­tändlich voraus oder nehmen sie für sich gar nicht bewusst wahr.

Menschenre­chtsaktivi­sten, die sich für die Rechte anderer einsetzen, Anwälte und Journalist­en – sie steuern dagegen. Aber in immer mehr Ländern wird ihr Be-

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria