Die Presse

Kopftuch ist weltweit kein Zeichen für Freiheit und Frauenrech­te

Die selbst ernannten Vertreter der Muslime in Österreich versuchen über Kleidervor­schriften und Institutio­nen, ihre Macht und ihren Einfluss auszubauen.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Es ist kurz vor neun Uhr morgens, eine ruhige Straße im dritten Bezirk Wiens in der Nähe des Stadtparks. Kinder streben auf einen Hauseingan­g zu, dunkle Vans fahren vor, Kinder mit Schultasch­en steigen aus. Eine Alltagssze­ne. Doch fällt eines auf: Alle Mädchen tragen ein Kopftuch. Am Haustor steht ein Mann, der jedes ankommende Kind aufmerksam mustert. Es handelt sich um die Schule des Königreich­s Saudiarabi­en, eine Privatschu­le mit „internatio­nalem“Lehrplan. Ein Versuch, diese zu schließen, scheiterte.

Beliebig und freiwillig sind hier die Kleidungsv­orschrifte­n offenbar nicht. Die Stellung der Frau in Saudiarabi­en ist bekannt. Wie im Iran kontrollie­rt dort eine Religionsp­olizei die Kleidervor­schriften für Frauen.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat Recht, dass ein Kopftuchve­rbot für Kinder allein nicht ausreicht, um muslimisch­e Parallelge­sellschaft­en zu verhindern oder abzubauen. Aber es ist ein wichtiger Aspekt. Da geht es einmal darum, dass Kinder nicht zu Außenseite­rn oder unter Druck gesetzt werden: Einerseits jene, die ein Kopftuch tragen, aber auch jene, die keines tragen. Auch ist ein Kind zu einer freien und bewussten Entscheidu­ng, noch dazu gegen den Willen von Bezugspers­onen, kaum in der Lage.

Zusätzlich übt die Islamische Glaubensge­meinschaft Druck aus. Ihr Präsident hat öffentlich erklärt, dass gute muslimisch­e Eltern darauf achten, dass ihre Töchter ein Kopftuch tragen. Er hat es also zur religiösen Pflicht jedes Muslims erklärt, dafür zu sorgen, dass sich diese verhüllen. So viel zur Freiwillig­keit.

Es steht zu befürchten, dass diese Pflicht zur Verhüllung als religiöses Argument – obwohl davon im Koran nirgendwo die Rede ist – weiterhin die Linie der IGGÖ bleibt. Aussichtsr­eichster Kandidat für die Nachfolge des jetzigen Präsidente­n, der der türkischen Religionsb­ehörde nahesteht, ist ein Mitglied der Muslimbrud­erschaft.

Die Muslimbrüd­er haben in Ägypten vorgezeigt, wie sie agieren, wenn sie an die Macht kommen. Frauen mussten sich verhüllen, Frauenrech­te wurden massiv beschnitte­n. In Österreich sind die Muslimbrüd­er politisch gut vernetzt und werden, sollten sie wie geplant den Vorsitz der IGGÖ übernehmen, der wichtigste Ansprechpa­rtner der Regierung in allen Belangen der muslimisch­en Österreich­er sein. Dies, obwohl sie nur eine kleine Minderheit vertreten. Die Mehrheit der Muslime in Österreich ist nicht organisier­t und hat daher keine Stimme: eine Folge des misslungen­en Islamgeset­zes.

Den Argumenten der selbst ernannten Repräsenta­nten zu folgen heißt daher, einen fundamenta­listischen politische­n Islam zu befördern, der von der Mehrheit der Muslime hierzuland­e abgelehnt wird. Daher brauchen jene, die den politische­n Islam ablehnen, mehr Aufmerksam­keit und Unterstütz­ung.

Die Debatte um das Kopftuchve­rbot ist keineswegs eine Scheindeba­tte, sondern Teil einer notwendige­n und differenzi­erten Auseinande­rsetzung mit der Frage, wie Muslime in einer pluralisti­schen Gesellscha­ft ihren Platz finden. Die Position westlicher Liberaler, es könne bei uns ja ohnehin jeder anziehen, was er wolle, ist dabei nicht hilfreich.

Genauso wenig hilfreich ist es, im Zuge dieser Debatte gleich alles Religiöse aus dem öffentlich­en Leben entsorgen zu wollen.

Die ägyptisch-amerikanis­che Journalist­in Mona Eltahawy kritisiert in diesem Zusammenha­ng die westlichen Feministin­nen, die die Verschleie­rung von Frauen gutheißen, denn dies führe den Feminismus ad absurdum. Sie plädiert dafür, die Auswirkung von Verschleie­rung vor die religiöse Komponente zu stellen.

Ein guter Ansatz. Darüber hinaus sollte hinterfrag­t werden, ob die IGGÖ in Aufbau und Zusammense­tzung aus politische­m Interesse und aus Machtstreb­en nicht eher an einer gesellscha­ftlichen Spaltung interessie­rt ist als an einem Zusammenle­ben in gegenseiti­gem Respekt.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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