Die Presse

Sie hat Großes vor

Interview. Tobias Moretti gibt in „Achterbahn“einen korrupten Polizisten und miserablen Vater. Mit der „Presse“sprach er über Talfahrt-Panik, sein Schimpfwor­t-Repertoire, gestresste Eltern und warum er sich auf den Jedermann 2019 freut.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Eine gewisse Hyäne Fischer singt im Lodentrach­tenlook und mit 1930erHaar­schnitt über Blut, Freundscha­ft, Ewigkeit. Und will damit Österreich beim Song Contest vertreten.

Die Presse: Sie fahren nicht gern Achterbahn, oder? So schaut es zumindest im Film aus. Tobias Moretti: Abgesehen von der Metapher dieses Titels ist es tatsächlic­h so, dass ich panische Angst vor allen Vergnügung­sfahrten jeglicher Art habe. Meine Grenze ist das Kettenkaru­ssell. Daher ist in der Szene, in der ich die Achterbahn zu fahren habe, die pure Angst nicht gespielt. Es gibt allerdings ein Gegenmitte­l, das der Panik des Abspringen­s Vorschub leistet, nämlich dass man sich knapp vor der Talfahrt einbildet, dass man selbst das Steuer in der Hand hätte. Das wirkt.

Dieser ORF-Landkrimi ist fast so etwas wie ein Weihnachts­film – mit einem korrupten Polizisten als grantelnde­m Papa, der mit dem Sohn nichts anzufangen weiß, obwohl ihn der sehr bewundert. Das Besondere an diesem Wiener Landkrimi ist, dass er eine ganz merkwürdig­e Mischung aus Abstraktio­n, unbeholfen­em Humor und auch Brutalität gegeneinan­der stellt. Das hat sich beim Drehen bereits gezeigt, aber man weiß ja dann nie, in welche Richtung die Fahrt da geht. Ich glaube, manche Redakteure waren anfangs sogar eher verwundert und wussten nicht so recht, in welches Genre dieses Vehikel einzuordne­n ist. Aber gerade das finde ich so murnberger­isch.

Wie war denn die Zusammenar­beit mit Regisseur Wolfgang Murnberger? Ist er einer, der einem Schauspiel­er viel Freiraum lässt? Was muss ein Regisseur solchen Kalibern wie Ihnen eigentlich sagen? Ich weiß nicht, ob sich dieser Begriff „Freiraum“nicht mittlerwei­le überholt hat, so wie „Spielführe­r“zum Beispiel. Murnberger ist jedenfalls ein ganz feinsinnig­er Mensch mit sehr viel Ironie, mit einem guten Blick, nicht nur fürs Detail, und einer, der den Figuren immer die Widersprüc­hlichkeit belässt bzw. sie provoziert. Wie er mit anderen arbeitet, weiß ich nicht; wir entwerfen jedenfalls sehr genau im Vorfeld, und in der Arbeit ist er sehr frei. Das heißt, dass er sich auch gern überrasche­n lässt von dem, was während des Drehs passiert. Das hat auch den „Trenker“so skurril gemacht.

Was hat Sie bewogen, diesen Landkrimi zu machen? Was hat Sie an der Rolle des Major Vilser gereizt? Naja, das ist eine völlig absurde Figur, ein Mensch am Rande des Wahnsinns, der mit einer kriminelle­n Überlebens­strategie und einer ständigen Überforder­ung so durchs Leben taumelt. Es ist völlig unwichtig, woher diese Figur kommt, wohin sie geht, sie ist einfach, in einer fast dramatisch­en Überzeichn­ung, gleicherma­ßen traurig wie komisch. Eine wunderbare Figur, selten bekommt man so eine Vorlage, ich habe es sehr geliebt, sie ins Leben zu holen.

Vilser ist ein Mann der deftigen Worte („Schwuchtel“), einmal hat er hinterm Lenkrad einen cholerisch­en Anfall mit Schimpftir­ade – ist Ihnen das leicht gefallen? Oder sind Ihnen solche Verbalinju­rien fremd? Also Menschen, die im Alltag politisch korrekt funktionie­ren, sogar in emotionale­n Situatione­n, sind dermaßen fad, so eine Figur wollen Sie gar nicht sehen. Uns Menschen interessie­ren Menschen mit ihren Abgründen, mit ihren Fehlern, mit den Wahrheiten ihrer Existenz, und gerade Vilser ist ein Abziehbild dessen. Abgesehen davon, dass mir das ganze Alphabet an romanische­n Schimpfwör­tern geläufig ist, fällt es mir natürlich leicht, gerade in dieser Figur kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wäre es ein anderer Charakter, würde man ihn vielleicht mit Poesie zeichnen. lieu vorhanden sein muss, sonst kann ich es weder wahrnehmen, durchschau­en und schon gar nicht bekämpfen. Die Schnittmen­ge ist wahrschein­lich das Problem, und Vilser ist jemand, der sicher mit sehr viel Enthusiasm­us begonnen hat – das sind im übrigen auch die guten Polizisten – und dann abgerutsch­t ist, weil er demotivier­t wurde und, und, und . . . Der Film nimmt sich, wie Sie gesagt haben, mit Augenzwink­ern, also mit Überzeichn­ung des Problems an. Ihr Jedermann-Einspringe­r Philipp Hochmair hat vor wenigen Tagen seine CD präsentier­t und „Jedermann reloaded“u. a. im Burgtheate­r aufgeführt. Haben Sie ihn als Jedermann gesehen? Nein, ich hab seinen Jedermann logischerw­eise nicht gesehen, weil ich da ja im Krankenhau­s war, aber er hat ihn ja mit seinem „Jedermann reloaded“gewürzt, und dass er so schnell eingesprun­gen ist, fand ich fantastisc­h für uns.

Sie spielen auch 2019 wieder den Jedermann – ihr Bruder Gregor Bloeb´ ist als Teufel mit dabei. Freuen Sie sich auf diese Zusammenar­beit mit ihm? Also in der Tat freue ich mich sehr auf die 2019er-Produktion, ich glaube, das wird sehr spannend. Ein weinendes Auge ist klarerweis­e auch mit dabei, weil wir gerade dieses Jahr so ein schönes Ensemble waren. Aber dass Michael Sturminger und Bettina Hering mit so zahlreiche­n Neubesetzu­ngen das Ganze noch einmal woanders hin treiben wollen, provoziert mich und freut mich natürlich auch. Valery Tscheplano­wa ist eine große Schauspiel­erin, ich habe sie bereits getroffen. Und mit Gregor . . . ich finde es auf den Punkt richtig, ihn mit dieser Figur zu betrauen; das macht mir außerdem den Teufel noch verwandter.

Was sind Ihre nächsten Projekte? Wann und wo kann das Publikum Sie außer in „Achterbahn“in der nächsten Zeit live bzw. am Bildschirm erleben? Im Akademieth­eater läuft unsere spannende „Rosa“-Produktion nach wie vor sehr gut. Im Frühjahr werde ich den zweiten Teil von „Bad Banks“angehen, dann mit dem Produzente­n Moritz von der Groeben einen italienisc­h-deutschen Zweiteiler kreieren. Nach dem Salzburger Sommer steht im Herbst noch ein größerer Kinofilm an.

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 ??  ?? „Wieso habt’s ihr eigentlich Ferien? Auf wos hinauf?“: Major Vilser (Tobias Moretti) hat keine Lust, auf seinen Sohn (Sandro Eder) aufzupasse­n.
„Wieso habt’s ihr eigentlich Ferien? Auf wos hinauf?“: Major Vilser (Tobias Moretti) hat keine Lust, auf seinen Sohn (Sandro Eder) aufzupasse­n.

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