Sie hat Großes vor
Interview. Tobias Moretti gibt in „Achterbahn“einen korrupten Polizisten und miserablen Vater. Mit der „Presse“sprach er über Talfahrt-Panik, sein Schimpfwort-Repertoire, gestresste Eltern und warum er sich auf den Jedermann 2019 freut.
Eine gewisse Hyäne Fischer singt im Lodentrachtenlook und mit 1930erHaarschnitt über Blut, Freundschaft, Ewigkeit. Und will damit Österreich beim Song Contest vertreten.
Die Presse: Sie fahren nicht gern Achterbahn, oder? So schaut es zumindest im Film aus. Tobias Moretti: Abgesehen von der Metapher dieses Titels ist es tatsächlich so, dass ich panische Angst vor allen Vergnügungsfahrten jeglicher Art habe. Meine Grenze ist das Kettenkarussell. Daher ist in der Szene, in der ich die Achterbahn zu fahren habe, die pure Angst nicht gespielt. Es gibt allerdings ein Gegenmittel, das der Panik des Abspringens Vorschub leistet, nämlich dass man sich knapp vor der Talfahrt einbildet, dass man selbst das Steuer in der Hand hätte. Das wirkt.
Dieser ORF-Landkrimi ist fast so etwas wie ein Weihnachtsfilm – mit einem korrupten Polizisten als grantelndem Papa, der mit dem Sohn nichts anzufangen weiß, obwohl ihn der sehr bewundert. Das Besondere an diesem Wiener Landkrimi ist, dass er eine ganz merkwürdige Mischung aus Abstraktion, unbeholfenem Humor und auch Brutalität gegeneinander stellt. Das hat sich beim Drehen bereits gezeigt, aber man weiß ja dann nie, in welche Richtung die Fahrt da geht. Ich glaube, manche Redakteure waren anfangs sogar eher verwundert und wussten nicht so recht, in welches Genre dieses Vehikel einzuordnen ist. Aber gerade das finde ich so murnbergerisch.
Wie war denn die Zusammenarbeit mit Regisseur Wolfgang Murnberger? Ist er einer, der einem Schauspieler viel Freiraum lässt? Was muss ein Regisseur solchen Kalibern wie Ihnen eigentlich sagen? Ich weiß nicht, ob sich dieser Begriff „Freiraum“nicht mittlerweile überholt hat, so wie „Spielführer“zum Beispiel. Murnberger ist jedenfalls ein ganz feinsinniger Mensch mit sehr viel Ironie, mit einem guten Blick, nicht nur fürs Detail, und einer, der den Figuren immer die Widersprüchlichkeit belässt bzw. sie provoziert. Wie er mit anderen arbeitet, weiß ich nicht; wir entwerfen jedenfalls sehr genau im Vorfeld, und in der Arbeit ist er sehr frei. Das heißt, dass er sich auch gern überraschen lässt von dem, was während des Drehs passiert. Das hat auch den „Trenker“so skurril gemacht.
Was hat Sie bewogen, diesen Landkrimi zu machen? Was hat Sie an der Rolle des Major Vilser gereizt? Naja, das ist eine völlig absurde Figur, ein Mensch am Rande des Wahnsinns, der mit einer kriminellen Überlebensstrategie und einer ständigen Überforderung so durchs Leben taumelt. Es ist völlig unwichtig, woher diese Figur kommt, wohin sie geht, sie ist einfach, in einer fast dramatischen Überzeichnung, gleichermaßen traurig wie komisch. Eine wunderbare Figur, selten bekommt man so eine Vorlage, ich habe es sehr geliebt, sie ins Leben zu holen.
Vilser ist ein Mann der deftigen Worte („Schwuchtel“), einmal hat er hinterm Lenkrad einen cholerischen Anfall mit Schimpftirade – ist Ihnen das leicht gefallen? Oder sind Ihnen solche Verbalinjurien fremd? Also Menschen, die im Alltag politisch korrekt funktionieren, sogar in emotionalen Situationen, sind dermaßen fad, so eine Figur wollen Sie gar nicht sehen. Uns Menschen interessieren Menschen mit ihren Abgründen, mit ihren Fehlern, mit den Wahrheiten ihrer Existenz, und gerade Vilser ist ein Abziehbild dessen. Abgesehen davon, dass mir das ganze Alphabet an romanischen Schimpfwörtern geläufig ist, fällt es mir natürlich leicht, gerade in dieser Figur kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wäre es ein anderer Charakter, würde man ihn vielleicht mit Poesie zeichnen. lieu vorhanden sein muss, sonst kann ich es weder wahrnehmen, durchschauen und schon gar nicht bekämpfen. Die Schnittmenge ist wahrscheinlich das Problem, und Vilser ist jemand, der sicher mit sehr viel Enthusiasmus begonnen hat – das sind im übrigen auch die guten Polizisten – und dann abgerutscht ist, weil er demotiviert wurde und, und, und . . . Der Film nimmt sich, wie Sie gesagt haben, mit Augenzwinkern, also mit Überzeichnung des Problems an. Ihr Jedermann-Einspringer Philipp Hochmair hat vor wenigen Tagen seine CD präsentiert und „Jedermann reloaded“u. a. im Burgtheater aufgeführt. Haben Sie ihn als Jedermann gesehen? Nein, ich hab seinen Jedermann logischerweise nicht gesehen, weil ich da ja im Krankenhaus war, aber er hat ihn ja mit seinem „Jedermann reloaded“gewürzt, und dass er so schnell eingesprungen ist, fand ich fantastisch für uns.
Sie spielen auch 2019 wieder den Jedermann – ihr Bruder Gregor Bloeb´ ist als Teufel mit dabei. Freuen Sie sich auf diese Zusammenarbeit mit ihm? Also in der Tat freue ich mich sehr auf die 2019er-Produktion, ich glaube, das wird sehr spannend. Ein weinendes Auge ist klarerweise auch mit dabei, weil wir gerade dieses Jahr so ein schönes Ensemble waren. Aber dass Michael Sturminger und Bettina Hering mit so zahlreichen Neubesetzungen das Ganze noch einmal woanders hin treiben wollen, provoziert mich und freut mich natürlich auch. Valery Tscheplanowa ist eine große Schauspielerin, ich habe sie bereits getroffen. Und mit Gregor . . . ich finde es auf den Punkt richtig, ihn mit dieser Figur zu betrauen; das macht mir außerdem den Teufel noch verwandter.
Was sind Ihre nächsten Projekte? Wann und wo kann das Publikum Sie außer in „Achterbahn“in der nächsten Zeit live bzw. am Bildschirm erleben? Im Akademietheater läuft unsere spannende „Rosa“-Produktion nach wie vor sehr gut. Im Frühjahr werde ich den zweiten Teil von „Bad Banks“angehen, dann mit dem Produzenten Moritz von der Groeben einen italienisch-deutschen Zweiteiler kreieren. Nach dem Salzburger Sommer steht im Herbst noch ein größerer Kinofilm an.