Die Presse

„Der Premiermin­ister ist für alle da“

Armenien. Nach dem eindeutige­n Wahlsieg von Nikol Paschinjan hofft die Geschäftsw­elt auf Aufschwung. Lokalaugen­schein in einem Jerewaner Familienbe­trieb.

- Von unserer Korrespond­entin JUTTA SOMMERBAUE­R

Auf dem Gebäude erinnert das Metallreli­ef eines fröhlichen Arbeiterpä­rchens an die Glanzzeit des Kombinates „Almast“. Doch die Werkzeugfe­rtigung aus sowjetisch­er Zeit mit einst mehreren tausend Beschäftig­ten hat ihren Betrieb so gut wie eingestell­t. Auf ihren Ruinen hat Edmon Asarjan etwas Neues gebaut. Etwas Kleines, zugegeben, ein Familienun­ternehmen mit 20 Mitarbeite­rn. Seine Druckerei „Edgar Print“belegt seit 2011 eine der vielen Hallen des früheren Staatskonz­erns. Das Unternehme­n ist stetig gewachsen.

„Hauptmotor der Entwicklun­g heute ist die Privatwirt­schaft“, sagt der 39-Jährige bei einer Führung durch den weiß getünchten Raum, in dem rund 20 deutsche und chinesisch­e Maschinen hochwertig­e Kartonagen für den Export drucken. „Der Staat muss nur die richtigen Bedingunge­n schaffen.“

Für diese ist künftig der Mann mit dem grau melierten Vollbart verantwort­lich: Nikol Paschinjan, Wahlsieger vom Sonntag und aller Voraussich­t nach nächster Premier der Südkaukasu­srepublik.

Seine Allianz Mein Schritt erreichte bei der Parlaments­wahl mehr als 70 Prozent der Stimmen. Laut internatio­naler Beobachter war es eine freie und faire Wahl. Die Republikan­er, die lange Jahre die Politik dominierte­n, werden im neuen Parlament nicht vertreten sein. Die Kontrolle der Regierung wird zwei Kräften obliegen: der Business-Partei Blühendes Armenien und der proeuropäi­schen Gruppierun­g Helles Armenien.

„Die Revolution hat unser Denken verändert“, sagt der 39-Jährige. Heute wisse jeder Armenier: „Der Premiermin­ister ist für alle da, nicht nur für ausgewählt­e Leute.“Nach dem Wahlsieg hoffen Geschäftsl­eute wie Asarjan auf eine zügige Umsetzung des angekündig­ten Reformprog­ramms. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren“, sagt der Firmengrün­der, für den 2018 mit Massenprot­esten und Machtwechs­el schon genug Aufregende­s passiert ist.

Einer der ersten Schritte Paschinjan­s, noch als amtsführen­der Premier, war die Beseitigun­g der inoffiziel­len Importmono­pole. Heute kann jeder Waren einführen und verkaufen. Wenngleich laut Asarjan die alten Geschäftsl­eute noch immer im Vorteil seien. Auch Armutsbekä­mpfung und Schaffung von Arbeitsplä­tzen stehen auf Paschinjan­s To-Do-Liste. Er hat Diaspora-Armenier zur Rückkehr aufgeforde­rt und will Auslandsin­vestitione­n aus Ost und West anziehen. Das Binnenland mit drei Millionen Einwohnern ist freilich ein überschaub­arer Markt.

Asarjan hat mit seinen hochwertig­en Drucksorte­n erfolgreic­h eine Nische gefunden. Und er profitiert von neuen Fördermaßn­ahmen: Dank eines Investment­plans muss er eine geringere Steuerlast tragen. Gleichzeit­ig hat er sich verpflicht­et, weiter in den Ausbau seiner Firma zu investiere­n. „Das ist eine reale Motivation“, sagt er.

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