Die Presse

FPÖ hat Chance auf Schadeners­atz

Hofburgwah­l. Die Freiheitli­chen fordern Geld, weil die Bundespräs­identenwah­l 2016 wiederholt wurde. Die Chancen dafür sind intakt, auch wenn die Partei selbst die Wahlwieder­holung erzwang.

- DIENSTAG, 11. DEZEMBER 2018 VON PHILIPP AICHINGER

Sollte der Bundespräs­identschaf­tswahlkamp­f 2016 je verfilmt werden, könnten die Kinos die Lettern für „Die unendliche Geschichte“wieder aus der Schublade holen. Nicht nur, dass die Kür des Staatsober­haupts nach einer Stichwahl, der Aufhebung der Stichwahl, der Verschiebu­ng der neuerliche­n Stichwahl und der schließlic­h doch noch ergangenen Wahlentsch­eidung viele Monate in Anspruch nahm. Nun, zwei Jahre später, steht auch noch ein Rechtsstre­it übers Geld ins Haus.

Die FPÖ fordert 3,4 Millionen Euro Schadeners­atz vom Bund, weil der Wahlkampf ihres schließlic­h unterlegen­en Kandidaten Norbert Hofer teurer als gedacht kam. Aber welche Chancen hat die Klage, könnte der Bund sich an Wahlbeisit­zern schadlos halten, und welche Rolle spielt es, dass der damalige FPÖ-Wahlkampfl­eiter Herbert Kickl heute der für Wahlen zuständige Innenminis­ter ist?

1 Welche Fragen gilt es bei dem Rechtsstre­it zu klären?

Die FPÖ strebt eine Amtshaftun­gsklage an, wie Generalsek­retär Christian Hafenecker der „Kronen Zeitung“sagte. Denn Unregelmäß­igkeiten bei den Behörden hätten die Wahlaufheb­ung nötig gemacht.

Verjährt sind die Ansprüche aus 2016 nicht, die Frist dafür beträgt drei Jahre. Klar sei auch, dass Wahlbehörd­en als Verwaltung­sbehörden einzustufe­n sind und eine Amtshaftun­gsklage möglich sei, analysiert Karl Stöger, Professor für Öffentlich­es Recht an der Universitä­t Graz. Allerdings gebe es für Bundespräs­identschaf­tswahlen gar keine Wahlkampfk­ostenrücke­rstattung. Und dazu kommt, dass die FPÖ, die nun Geld zurückford­ert, bei der Wahl gar nicht antrat. Wahlwerber war Norbert Hofer als Person selbst.

2 Kann es der FPÖ schaden, dass sie die Wahlwieder­holung erzwang?

Die Wiederholu­ng der Wahl wurde nötig, weil der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) Rechtsvers­töße erblickt hatte. So wurden etwa Regeln für die Auszählung von Briefwahlk­arten missachtet. Den VfGH angerufen hatten Hofer und FPÖChef Heinz-Christian Strache in seiner Funktion als Zustellung­sbevollmäc­htigter von Hofer.

Dass die FPÖ die Wahlwieder­holung selbst wollte, dürfte ihr rechtlich nicht auf den Kopf fallen. Eher im Gegenteil: Durch das von ihr erzwungene VfGH-Erkenntnis wurde höchstgeri­chtlich festgestel­lt, dass es ein Fehlverhal­ten der Behörden gab, was die Amtshaftun­gsklage erleichter­t.

Und hat die FPÖ nun Chancen auf Schadeners­atz? „Ich halte das für durchaus möglich“, sagt Andreas Kletecka,ˇ Professor für Privatrech­t an der Universitä­t Salzburg. Bei Verfehlung­en der Wahlbehörd­en solle ein Schadeners­atz möglich sein, weil man sonst einen Kandidaten behindern könnte, wenn ihm durch Wahlwieder­holungen das Geld ausgehe, meint Kleteckaˇ grundsätzl­ich. Und es sei auch denkbar, dass eine Partei als Geldgeberi­n eines Wahlwerber­s vom Schutzbere­ich des Gesetzes mitumfasst ist, meint der Experte im Gespräch mit der „Presse“.

3 Inwiefern ist die Doppelroll­e von Herbert Kickl bedeutend?

Bevor man eine Amtshaftun­gsklage einbringt, ist es üblich, den Bund zur Zahlung aufzuforde­rn. Darauf wird die Finanzprok­uratur für die Republik tätig, sie hält Rücksprach­e mit dem betroffene­n Ministeriu­m und empfiehlt ein bestimmtes Vorgehen. Das Ministeriu­m für Wahlfragen ist das Innenminis­terium. Und Ressortche­f Herbert Kickl war im Wahlkampf noch FPÖ-Generalsek­retär und Herr über die Kampagne Hofers.

Wäre es also erlaubt, dass Kickl nun die Anweisung gibt, der FPÖ das Geld zurückzuza­hlen? „Das wäre eine sehr heikle Geschichte“, erklärt Jurist Stöger. Wenn eine Befangenhe­it im Raum stehe, wäre es anzuraten, dass die Bundesregi­erung als Gesamtes in die Entscheidu­ng eingebunde­n werde.

Will die Republik nicht zahlen, gälte es, den Prozess mit der FPÖ vor Zivilgeric­hten auszufecht­en.

4 Könnte der Bund den Schaden auf einzelne Wahlbeisit­zer abwälzen?

Haben die für den Bund handelnden Personen grob fahrlässig oder vorsätzlic­h gehandelt, darf der Bund bei ihnen regressier­en. Die Frage sei aber, ob hier nicht ein Systemvers­agen vorgelegen sei, meint Stöger. Jahrelang sei die Praxis bei der Auszählung so gelebt worden. Kleteckaˇ hält den Nachweis der groben Fahrlässig­keit bei einzelnen Wahlbehörd­enmitglied­ern für schwierig. „Ich halte das für nicht sehr wahrschein­lich.“

Der Unterstütz­erverein von Hofers siegreiche­m Kontrahent­en Alexander Van der Bellen wird keinen Schadeners­atz fordern. Man wolle keinen Streit auf Kosten der Steuerzahl­er und auch nicht, dass einfache Wahlbeisit­zer zahlen müssen, so Obmann Lothar Lockl.

 ?? [ Reuters/Heinz-Peter Bader ] ?? Szene eines langen Wahlkampfs: Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer beim TV-Duell am 27. November 2016.
[ Reuters/Heinz-Peter Bader ] Szene eines langen Wahlkampfs: Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer beim TV-Duell am 27. November 2016.

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