Ambulanzdebatte: Es geht um Chemotherapie
Gesundheit. SPÖ und Patientenanwälte wollen eine Bevorzugung von Privatversicherten in Ambulanzen verhindern. Um die Ambulanzen gehe es aber gar nicht, sagt die Versicherungswirtschaft.
Die SPÖ setzt weiter voll auf das Thema Ambulanzen: Wenn die Pläne der Regierung umgesetzt werden, könne es erstmals passieren, dass ein Reicher mit geringeren Beschwerden gegenüber einem Armen mit einem schwerwiegenderen Leiden bevorzugt behandelt werde, sagte der stellvertretende Klubchef Jörg Leichtfried am Montag. Die SPÖ will dies diese Woche im Nationalrat breit thematisieren und mit einem Abänderungsvertrag verhindern.
Dass Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres die Gesetzesnovelle am Wochenende verteidigt hat, ist laut Leichtfried Eigeninteressen geschuldet. Szekeres hatte vor Einnahmenverlusten für Spitalserhalter und Ärzte gewarnt, wenn Zusatzversicherte in Privatspitäler abwandern. Es gehe darum, diese Patienten weiter in den öffentlichen Spitälern zu halten, und nicht um „Fast Lanes“oder „VIP-Ambulanzen“. So argumentiert auch die Versicherungswirtschaft. Es gehe überhaupt nicht um die Ambulanzen, so ein Sprecher der Uniqa, sondern um Behandlungen, die früher stationär durchgeführt wurden und nun – aufgrund des Fortschritts der Medizin – auch ambulant angeboten werden. Und da gehe es „in 90 Prozent der Fälle“um Chemotherapie für Krebspatienten.
Der Versicherungsverband hat das schon in seiner Stellungnahme im Begutachtungsverfahren angesprochen: Der gänzliche Wegfall eines besonders wichtigen Teils des medizinischen Behandlungsspektrums, nämlich der Onkologie, sei weder für Versicherte noch für Spitalsträger oder Ärzte ein gangbarer Weg. Das sehen auch die Landesregierungen von Salzburg (ÖVP) und Burgenland (SPÖ) in ihren Stellungnahmen so: Beide Länder fordern sogar noch eine klarere gesetzliche Festlegung ein, dass für ambulante Leistungen Sonderklassegebühren eingehoben werden dürfen.
Was aber sollen die Patienten dafür bekommen, dass sie mit Zusatzversicherung in einem öffentlichen Spital ambulante Leistungen in Anspruch nehmen? Es gehe nicht um eine bessere medizinische Betreuung, versichert der Versicherungsverband und nennt in seiner Stellungnahme eine Reihe von möglichen Maßnahmen: Neben der freien Arztwahl wären das ein eigener Wartebereich, vergleichbar mit einer Business-Lounge am Flughafen, Erfrischungen, Zeitungen oder diskrete, abgeschirmte Umkleidemöglichkeiten.
Ob die Spitäler das umsetzen wollen, ist offen. Im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) verweist man auf die Aussagen von Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ), der Sonderklasse in den Ambulanzen schon dezidiert ausgeschlossen hat. Skeptisch ist auch AKH-Direktor Herwig Wetzlinger: Er verweist darauf, dass Sonderklasse in erster Linie eine Angelegenheit der Ärzte sei. Das AKH selbst bekomme nur einen „Hausanteil“. Und für diesen Hausanteil – der noch ausverhandelt werden müsste, eigene Loungebereiche zu bauen, sei schwierig. Denn das ginge zulasten aller anderen Patienten.
Unterdessen fordern die Patientenanwälte dazu auf, das System der Sonderklasse generell zu hinterfragen. In einem Brief an den Nationalratspräsidenten und die Klubchefs der fünf Parlamentsparteien appellieren sie an die Politik, den Gesetzestext so umzuformulieren, dass „zweifelsfrei klargestellt ist, dass keine neue Art einer ambulanten Sonderklasse eingeführt werden soll und darf“. Außerdem solle das „veraltete, intransparente und nicht mehr leistungsgerechte System der Sonderklasse“neu aufgesetzt werden.
Die Verlagerung von Leistungen aus dem ambulanten in den stationären Bereich sei zwar zu begrüßen, meinen die Patientenanwälte. Der daraus entstehende Einnahmeausfall für Ärzte und Spitalserhalter dürfe aber nicht dadurch kompensiert werden, dass neue ambulante Sonderklassegebühren bei den Sonderklassepatienten geschaffen werden. Für die Ärzte solle es ein leistungsgerechtes Grundeinkommen statt intransparenter Sonderhonorare geben.