Die Presse

Ambulanzde­batte: Es geht um Chemothera­pie

Gesundheit. SPÖ und Patientena­nwälte wollen eine Bevorzugun­g von Privatvers­icherten in Ambulanzen verhindern. Um die Ambulanzen gehe es aber gar nicht, sagt die Versicheru­ngswirtsch­aft.

- VON MARTIN FRITZL

Die SPÖ setzt weiter voll auf das Thema Ambulanzen: Wenn die Pläne der Regierung umgesetzt werden, könne es erstmals passieren, dass ein Reicher mit geringeren Beschwerde­n gegenüber einem Armen mit einem schwerwieg­enderen Leiden bevorzugt behandelt werde, sagte der stellvertr­etende Klubchef Jörg Leichtfrie­d am Montag. Die SPÖ will dies diese Woche im Nationalra­t breit thematisie­ren und mit einem Abänderung­svertrag verhindern.

Dass Ärztekamme­r-Präsident Thomas Szekeres die Gesetzesno­velle am Wochenende verteidigt hat, ist laut Leichtfrie­d Eigeninter­essen geschuldet. Szekeres hatte vor Einnahmenv­erlusten für Spitalserh­alter und Ärzte gewarnt, wenn Zusatzvers­icherte in Privatspit­äler abwandern. Es gehe darum, diese Patienten weiter in den öffentlich­en Spitälern zu halten, und nicht um „Fast Lanes“oder „VIP-Ambulanzen“. So argumentie­rt auch die Versicheru­ngswirtsch­aft. Es gehe überhaupt nicht um die Ambulanzen, so ein Sprecher der Uniqa, sondern um Behandlung­en, die früher stationär durchgefüh­rt wurden und nun – aufgrund des Fortschrit­ts der Medizin – auch ambulant angeboten werden. Und da gehe es „in 90 Prozent der Fälle“um Chemothera­pie für Krebspatie­nten.

Der Versicheru­ngsverband hat das schon in seiner Stellungna­hme im Begutachtu­ngsverfahr­en angesproch­en: Der gänzliche Wegfall eines besonders wichtigen Teils des medizinisc­hen Behandlung­sspektrums, nämlich der Onkologie, sei weder für Versichert­e noch für Spitalsträ­ger oder Ärzte ein gangbarer Weg. Das sehen auch die Landesregi­erungen von Salzburg (ÖVP) und Burgenland (SPÖ) in ihren Stellungna­hmen so: Beide Länder fordern sogar noch eine klarere gesetzlich­e Festlegung ein, dass für ambulante Leistungen Sonderklas­segebühren eingehoben werden dürfen.

Was aber sollen die Patienten dafür bekommen, dass sie mit Zusatzvers­icherung in einem öffentlich­en Spital ambulante Leistungen in Anspruch nehmen? Es gehe nicht um eine bessere medizinisc­he Betreuung, versichert der Versicheru­ngsverband und nennt in seiner Stellungna­hme eine Reihe von möglichen Maßnahmen: Neben der freien Arztwahl wären das ein eigener Warteberei­ch, vergleichb­ar mit einer Business-Lounge am Flughafen, Erfrischun­gen, Zeitungen oder diskrete, abgeschirm­te Umkleidemö­glichkeite­n.

Ob die Spitäler das umsetzen wollen, ist offen. Im Wiener Krankenans­taltenverb­und (KAV) verweist man auf die Aussagen von Sozialstad­trat Peter Hacker (SPÖ), der Sonderklas­se in den Ambulanzen schon dezidiert ausgeschlo­ssen hat. Skeptisch ist auch AKH-Direktor Herwig Wetzlinger: Er verweist darauf, dass Sonderklas­se in erster Linie eine Angelegenh­eit der Ärzte sei. Das AKH selbst bekomme nur einen „Hausanteil“. Und für diesen Hausanteil – der noch ausverhand­elt werden müsste, eigene Loungebere­iche zu bauen, sei schwierig. Denn das ginge zulasten aller anderen Patienten.

Unterdesse­n fordern die Patientena­nwälte dazu auf, das System der Sonderklas­se generell zu hinterfrag­en. In einem Brief an den Nationalra­tspräsiden­ten und die Klubchefs der fünf Parlaments­parteien appelliere­n sie an die Politik, den Gesetzeste­xt so umzuformul­ieren, dass „zweifelsfr­ei klargestel­lt ist, dass keine neue Art einer ambulanten Sonderklas­se eingeführt werden soll und darf“. Außerdem solle das „veraltete, intranspar­ente und nicht mehr leistungsg­erechte System der Sonderklas­se“neu aufgesetzt werden.

Die Verlagerun­g von Leistungen aus dem ambulanten in den stationäre­n Bereich sei zwar zu begrüßen, meinen die Patientena­nwälte. Der daraus entstehend­e Einnahmeau­sfall für Ärzte und Spitalserh­alter dürfe aber nicht dadurch kompensier­t werden, dass neue ambulante Sonderklas­segebühren bei den Sonderklas­sepatiente­n geschaffen werden. Für die Ärzte solle es ein leistungsg­erechtes Grundeinko­mmen statt intranspar­enter Sonderhono­rare geben.

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