Die Presse

„Muslime keine Bürger zweiter Klasse“

Islam. Ümit Vural, der neue Präsident der IGGÖ, will Aufklärung statt Kopftuchve­rbot.

- VON ERICH KOCINA

Er ist kein Theologe. „Ich habe auch nicht für die Funktion des Mufti kandidiert“, sagt Ümit Vural, der neu gewählte Präsident der Islamische­n Glaubensge­meinschaft in Österreich (IGGÖ). Daher werde er sich auch – im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Ibrahim Olgun, einem Theologen – nicht religiös äußern. Politisch dafür sehr wohl, nämlich dann, wenn es um Anliegen der Muslime gehe.

Vor allem die Einigkeit der Muslime sei ihm ein Anliegen, sagt er am Montag bei seinem ersten Medienauft­ritt nach seiner Wahl. Es müssten wieder „klare Verhältnis­se“in der IGGÖ hergestell­t werden, man müsse aus den Fehlern der Vergangenh­eit lernen und das Vertrauen der Muslime wieder gewinnen. Dazu passt auch einer der ersten Schwerpunk­te, die er in seinem Amt setzen möchte – der Kampf gegen antimuslim­ischen Rassismus. Vural spricht etwa von muslimisch­en Frauen, die Angst davor hätten, in die Straßenbah­n einzusteig­en. „Wir kennen die Folgen, die Auswirkung­en – wir sind die Opfer von Rassismus“, meint er. Gleichzeit­ig will er aber auch gegen Extremismu­s in den eigenen Reihen vorgehen. Dass Jugendlich­e dafür empfänglic­h seien, führt er aber auch auf Diskrimini­erungserfa­hrungen zurück – „das führt zu Frustratio­n und Perspektiv­losigkeit“. Sein Rezept dagegen: den Jugendlich­en Hoffnung geben.

Beim Thema Kopftuchve­rbot wird Vural sogar ein wenig emotional: „Niemand kann erklären, dass Verbote von Kleidungss­tücken in einer offenen und liberalen Demokratie würdig sind.“Das Tragen des Kopftuchs sei eine höchst intime und Gewissense­ntscheidun­g. Verbote seien da destruktiv – auch bei Kindern. Wiewohl bei denen andere Voraussetz­ungen gelten müssten. „Es geht darum, dass die Entscheidu­ng eine bewusste ist – von Kindern kann man das nicht erwarten.“Eine Lösung sieht er aber vor allem in Aufklärung und Gesprächen mit den Eltern. Ob man das Kopftuchve­rbot für Kinder rechtlich bekämpfen wird, lässt er vorerst offen. „Das werde ich mir ganz genau anschauen, und wir werden nüchtern darüber entscheide­n.“

Der türkis-blauen Regierung, die den Islam zuletzt vermehrt im Visier hat, will er jedenfalls im Dialog begegnen – als „Stimme der Vernunft“, wie er es formuliert. Konfrontat­ion hält er nicht für zielführen­d, doch den Kampf für die Anliegen der Muslime will er austragen, so der Jurist – auf dem Boden des Rechtsstaa­tes. Eines sei aber klar: „Die Muslime in diesem Land dürfen sich nicht als Bürger zweiter Klasse fühlen.“

Niemand kann erklären, dass Verbote von Kleidungss­tücken in einer liberalen Demokratie würdig sind. Ümit Vural, neuer Präsident der IGGÖ

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