Die Presse

Ein Armutszeug­nis für die österreich­ische Migrations­politik

Laut OECD zieht Österreich überpropor­tional viele niedrig qualifizie­rte Einwandere­r an.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D ie OECD hat im Vorfeld des Migrations­paktgipfel­s in Marrakesch einen umfangreic­hen Migrations­report („Settling in 2018 – Indicators of Immigrant Integratio­n“) veröffentl­icht und gleich eine positive Stellungna­hme ihres Generalsek­retärs Gurria nachgescho­ben: Alles paletti, die Integratio­n kommt gut voran, der Anteil gut ausgebilde­ter Migranten in den Industriel­ändern nimmt zu.

Ganz im Sinne des Pakts, in dem sich seine Akklamateu­re ja nicht verpflicht­end verpflicht­en, Migration „faktenbasi­ert“nur noch in den schönsten Farben zu malen. Österreich hat den Pakt zum Glück nicht abgenickt, sodass wir einen vorbehaltl­osen Blick in die Tiefen dieses wirklich umfangreic­hen Werks werfen können, ohne dass die Regierung gleich nicht verpflicht­end verpflicht­et werden könnte, finanziell­e Repressali­en gegen die „Presse“zu verhängen.

Dort sehen wir: Gurria hat recht – solange wir von Ländern mit konsistent­er und strikter Einwanderu­ngspolitik sprechen. Etwa von Kanada oder Australien. Dort ist der Anteil der Akademiker mit ausländisc­hen Wurzeln höher als der der Inländer, der Anteil der Migranten mit niedriger Qualifikat­ion geringer als der der inländisch­en Bevölkerun­g, die Beteiligun­g auf dem Arbeitsmar­kt jedenfalls nicht schlechter als die der „locals“.

Ganz anders sieht das in der „Peer Group 3“aus: Dort hat die OECD Länder zusammenge­fasst, die relativ ungeregelt­e Migration zugelassen oder bewusst auf niedrig Qualifizie­rte gesetzt haben. Entweder wegen ihres kolonialen Erbes, wie Belgien, Frankreich und die Niederland­e. Oder wegen des bewussten Anwerbens von niedrig qualifizie­rten Gastarbeit­ern in den 60er-Jahren und wegen des überpropor­tionalen Anteils an „humanitäre­r Migration“ab 2016. Darunter fallen Deutschlan­d und Österreich.

In dieser Gruppe ist alles anders: Migranten sind hier weit überpropor­tional im niedrig qualifizie­rten Bereich beschäftig­t und weit überpropor­tional von Arbeitslos­igkeit betroffen, während der Anteil der migrantisc­hen Akademiker deutlich unter dem der ansässigen Bevölkerun­g liegt. In erfolgreic­hen Ländern gibt es kaum Unterschie­de in der Beschäftig­ungsquote von Migranten und Nichtmigra­nten. In der „Peer Group 3“ist die Beschäftig­ungsquote der im Nicht-EU-Ausland geborenen Menschen um 22 Prozentpun­kte (!) unter jener der Einheimisc­hen. D ie vage Vermutung, dass wir die falschen Migranten hereinhole­n und damit (siehe niedrige Beschäftig­ungsquoten) unsere Sozialnetz­e unnötigerw­eise überdurchs­chnittlich dehnen, ist jetzt sozusagen OECDamtlic­h. Allerdings auch, dass wir die Potenziale derer, die da sind, nicht entspreche­nd nutzen: Nirgendwo sonst ist der Anteil der hoch Qualifizie­rten, die unter ihren Fähigkeite­n eingesetzt werden, so hoch wie in dieser Gruppe. Und, wohl als Konsequenz aus dem Ganzen: Nirgendwo sonst identifizi­eren sich Migranten mit dem Aufnahmela­nd so wenig wie in – Österreich.

Anders gesagt: Die Migrations­politik bis 2017 (so weit reicht die Studie) hat in Österreich völlig versagt. Zeit, dass man die jetzt wirklich radikal im Interesse des Landes umgestalte­t. Best-Practice-Beispiele finden sich in der Studie ja einige.

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