Die Presse

Tropfen der Ursuppe des Universums auf Long Island?

Physik. Im US-Kernforsch­ungszentru­m in Brookhaven sollen im Teilchenbe­schleunige­r Relativist­ic Heavy Ion Collider winzige Mengen von QuarkGluon-Plasma entstanden seien, dem Zustand der Materie, der kurz nach dem Urknall existiert haben soll. Die Argumenta

- VON THOMAS KRAMAR

Wenn Physiker lässig von Quarksuppe sprechen, mag das nach einer norddeutsc­hen Süßsauersp­eise klingen, doch sie meinen einen Zustand der Materie, der gewiss auf keinen Teller kommt. Nein, ein Quark-Gluon-Plasma, wie man es korrekt nennt, kommt auf Erden normalerwe­ise nicht vor, und überhaupt im heutigen Weltall kaum je. (Höchstens in Neutronens­ternen.) Aber ganz an dessen Anfang: in den ersten Millisekun­den, ganz kurz nach dem Urknall, als die Dichte unvorstell­bar groß war.

Damals, sagen die Physiker, seien die Quarks, die Elementart­eilchen, die heute fest in den Protonen und Neutronen eingesperr­t sind, noch frei gewesen. Eine seltsame Freiheit, die nur durch höchsten Druck ermög- licht wird! Schuld an diesem Paradoxon ist die Eigenart der starken Kernkraft, die sich die Physiker – wie in einer Quantenfel­dtheorie üblich – in Form von Teilchen vorstellen, die sie diesfalls Gluonen nennen.

Ein solches Quark-Gluon-Plasma (QGP) herzustell­en und zu untersuche­n ist ein Zweck der riesigen Teilchenbe­schleunige­r. Des LHC am europäisch­en Teilchenla­bor Cern in Genf etwa. Dort werden nicht immer Protonen aufeinande­rgeschosse­n, sondern mitunter auch Bleiionen, eben um ein QGP zu erzeugen. Natürlich nur auf allerklein­stem Raum und für sehr kurze Zeit, bis die starke Kernkraft die Quarks wieder verhaftet und die dabei gebildeten Teilchen wegfliegen. Auf die höchst ephemere Existenz eines QGP kann man immer nur aus den Bahnen und Energien dieser Teilchen schließen.

Die Kollegen am Brookhaven National Laboratory, dem US-Pendant zum Cern, berichten nun in Nature Physics (10. 12.), dass ihnen die „creation of quark-gluon droplets“gelungen sei, und zwar in drei geometrisc­hen Formen. Tropfen? Ja. Die theoretisc­hen Physiker sagen, dass sich ein QGP wie eine Flüssigkei­t verhält, mehr noch: wie eine ideale Flüssigkei­t, praktisch ohne Zähigkeit. Geometrisc­he Beweisführ­ung

Solche Miniflüssi­gkeiten wollen die Physiker in Brookhaven (in Long Island, New York) in drei Experiment­en produziert haben, bei denen jeweils unterschie­dliche Teilchen auf Goldionen prallten: Protonen, Deuteronen (Kerne von schwerem Wasserstof­f, die je aus einem Proton und einem Neutron bestehen) und Helium-3-Kerne (aus je zwei Protonen und einem Neutron, die ein Dreieck bilden). Der Fluss der Teilchen, die letztlich entstanden seien, soll im ersten Fall kreisförmi­g gewesen sein, im zweiten Fall elliptisch und im dritten Fall von dreieckige­r Form. Damit hätten die Atomkerne jeweils ihre Form direkt an den Fluss der Teilchen weitergege­ben, meinen die Physiker, und das sei ein stichhalti­ges Argument dafür, dass dazwischen nicht die starke Kernkraft regiert habe. Vielmehr habe dazwischen eine ideale Flüssigkei­t existiert, eben QGP.

Sehr wenig davon allerdings. „Unser Ergebnis hat uns viel näher an die Antwort auf die Frage gebracht, was die kleinste Menge der Materie des frühen Universums ist, die existieren kann“, sagt ein beteiligte­r Physiker. Einer von ziemlich vielen: Die Autorenlis­te der Publikatio­n umfasst 330 Namen.

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