Hohe Mietpreise vergrößern die Kluft zwischen Arm und Reich
Vor allem in Österreichs Großstädten explodieren die Mietpreise. Besser, man verfügt über ein hohes Monatseinkommen. Sonst ist man ein armer Hund.
Die Immobilienbranche behauptet gern, der Wohnungsmarkt müsse sich durch Angebot und Nachfrage nur selber regeln, dann würden Mieten am Ende sogar sinken. Auch die Neos teilen beispielsweise diese originelle Spekulation. Die Realität sieht allerdings anders aus – nämlich so wie in London, Paris oder New York. Dort sind die Mieten aufgrund steigender Nachfrage derart spektakulär und familienunfreundlich in die Höhe gewildert, dass selbst Menschen mit Mittelschichtsgehalt in winzigen, sündteuren Wohngemeinschaften oder gleich in Wohnwagenparks an der Peripherie hausen, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten können.
Um die 500 Pfund Minimum ist man in London für Zweizimmerwohnungen in weniger angesagten Gegenden dabei – pro Woche, nicht pro Monat. In feinen Vierteln wie Chelsea und Soho steigen die Wochenmieten dann schon auf schlanke 1000 Pfund plus.
In Paris wiederum war unlängst die vermutlich kleinste Mietwohnung im Sonderangebot: 900 Euro pro Monat für neun Quadratmeter Wohnklo zum Leben, Waschen, Kochen – auch kein Schnäppchen. Freier Markt: Was nun?
Der Vorschlag von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die Mehrwertsteuer auf Mieten abzuschaffen, klingt aufs erste Hinhören gut und richtig. Denn oft müssen Menschen bereits mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Mieten aufwenden. Aber sozial treffsicher oder gar genuin sozialdemokratisch ist Rendi-Wagners Vorschlag nicht: Überdurchschnittlich profitieren würden von der Abschaffung der Mehrwertsteuer vor allem besser situierte Menschen, die sich große, teure Mietwohnungen leisten können.
Laut SPÖ-Berechnungen würde die Maßnahme eine Milliarde Euro kosten. Dass Minderverdiener die Steuerzuckerln für die Wohlhabenderen mitfinanzieren würden, weil das so entstehende Budgetloch irgendwie wieder aufgefüllt werden müsste, sollte der SPÖ noch eine Überlegung zur Nachschärfung ihrer Mietrechtsvorschläge wert sein.
Auch die Regierung tüftelt an einer umfassenden Mietrechtsreform, erste Änderungen sollten schon im Jänner 2019 in Kraft treten. Aber welche? Vermieter jammern wortreich über zu wenig Rendite, gern werden in diesem Zusammenhang die berühmte Hofratswitwe und der Friedenszins für riesige Altbauwohnungen in bester Lage äußerln geführt. Doch Hofratswitwen sind am Aussterben und die bösen Mietzinsnomaden auch nicht die Regel.
Trotzdem lassen gar nicht so wenige Eigentümer Wohnungen lieber leer stehen und Häuser vergammeln – in Salzburg sind das etwa 3500, in Wien 10.000, in Vorarlberg 2000 leer stehende Wohnungen. Oder sie vermieten profitabel und steuerschonend via Airbnb tageweise zu Monatspreisen.
Eine Stippvisite nach Venedig zeigt, was das mittel- und langfristig bedeutet: Seit den 1950er-Jahren sank die Einwohnerzahl der Lagunenstadt von 175.000 auf ein Rekordtief von knapp unter 55.000 Menschen. Vor allem junge Venezianer wandern auf die terra ferma, aufs Festland, aus, weil die exorbitanten Mieten für sie unleistbar geworden sind.
Schreitet dieser „Venexodus“weiter so zügig voran wie bisher, wird in 20 Jahren kein Einheimischer mehr im historischen Zentrum Venedigs leben, aber dafür jede Menge Airbnb-Mieter. Schöne Aussichten also – auch für hiesige Innenstädte . . .
Tatsache ist, dass das Grundbedürfnis Wohnen auch in Österreichs Ballungszentren allmählich zum unleistbaren Luxusgut wird. Die Nettomieten explodieren, in den vergangenen zehn Jahren sind sie doppelt so schnell gestiegen wie Löhne und Gehälter.
Wer derzeit eine Wohnung sucht, muss entweder über einen ausgesprochen guten Monatslohn verfügen – oder er ist ein armer Hund. Klar ist jedenfalls: je höher die Nettomieten, umso größer die Kluft zwischen Reich und Arm, Mehrwertsteuer hin oder her.