Die Presse

Bye-bye, Zirkuswelt

Salzburg. Nach drei Jahren verabschie­det sich Caroline Stolpe als Chefin des Winterfest­s. In Österreich­s Cirque-Nouveau-Szene ortet sie Aufbruchst­immung.

- VON CLAUDIA LAGLER

Porträt: Caroline Stolpe verabschie­det sich als Chefin des Salzburger Winterfest­s.

Zwei Lebensmitt­elpunkte, einen in Salzburg und einen in Köln, dazu beruflich wie privat ständig auf Reisen: In den vergangene­n Jahren war Caroline Stolpe, seit 2016 künstleris­che Leiterin des Salzburger Winterfest­s, viel unterwegs. „Jetzt habe ich das Gefühl, es ist Zeit, weiterzuzi­ehen und mich auf einen Ort zu konzentrie­ren“, begründet sie, warum sie im kommenden Sommer der Mozartstad­t den Rücken kehren und in ihre Heimat nach Deutschlan­d zurückgehe­n wird. Doch vorher lädt Stolpe noch zum dritten von ihr kuratierte­n Winterfest und hat ein abwechslun­gsreiches Programm für das Publikum zusammenge­stellt. „Erstmals gibt es beim Winterfest Neuen Zirkus aus Afrika“, kündigt Stolpe an.

Mit der Groupe Acrobatiqu­e de Tanger werden die sechs Wochen des diesjährig­en Festivals im Salzburger Volksgarte­n eröffnet. „Als ich die Gruppe das erste Mal gesehen habe, hat sich mir ein völlig neues Universum aufgetan“, ist Stolpe von den nordafrika­nischen Akrobatinn­en und Akrobaten fasziniert. In Marokko hat Zirkuskuns­t eine große Tradition, es gibt viele Akrobatenf­amilien, die ihr Wissen von Generation zu Generation weitergebe­n. Manche der Künstler, die bei der vor 15 Jahren gegründete­n Groupe Acrobatiqu­e mitwirken, sind in siebter Generation Akrobaten. Trotzdem brauchen sie nicht viel, um zu trainieren oder ihre Kunststück­e zu zeigen: Sie übten am Strand, erzählt die künstleris­che Leiterin des Winterfest­s. In Salzburg bespielt die Gruppe das große Zelt, um waghalsige Akrobatik und schwindele­rregende Menschenpy­ramiden zu zeigen.

Außergewöh­nliche Vertreter

Auch der Circa Tsuica, ein Zirkuskoll­ektiv aus Frankreich, Machine de Cirque aus Kanada und Post Uit Hessdalen aus Belgien, die in einem Lastwagen spielen, sind außergewöh­nliche Vertreter der Neuen Zirkuskuns­t. Wenn sie ein Programm für das Winterfest zusammenst­ellt, reist Stolpe zu internatio­nalen Festivals, um Gruppen und Stücke kennenzule­rnen. Das Festival in Salzburg muss sie nicht lang vorstellen. Es sei in der Szene bekannt und etabliert, erzählt Stolpe. Den Grundstein dafür hat Georg Daxner gelegt, der mit viel Leidenscha­ft und Herzblut für den Neuen Zirkus vor 18 Jahren das Winterfest gegründet hat. 2014 kam Daxner bei einem Unfall ums Leben. Stolpe, die 2012 als Assistenti­n beim Winterfest begonnen hatte, übernahm erst zusammen mit Evelyn Daxner-Ehgartner und Philippe Haenen, 2016 schließlic­h in Alleinvera­ntwortung die künstleris­che Leitung und entwickelt­e das Winterfest weiter. Entscheide­nd dabei, ob ein Stück in die engere Wahl für das Winterfest kommt, ist für Stolpe die Frage, ob es sie selbst berühre. So wie der Cirque Invisible, der vor Jahren den Grundstein für ihre Begeisteru­ng für den sogenannte­n Cirque Nouveau legte. Damals arbeitete Stolpe als Praktikant­in bei einem Festival in Düsseldorf und sah Victoria Chaplin und Jean Baptiste Thierree.´ Die poetischen und humorvolle­n Szenen, die Körperbehe­rrschung – all das hat sie begeistert und nicht mehr losgelasse­n.

Das Winterfest ist das größte Festival seiner Art im deutschspr­achigen Raum und nicht nur bei den Artisten beliebt. Auch das Salzburger Publikum liebt das Winterfest. Für viele Menschen gehört es mittlerwei­le fix zur Vorweihnac­htszeit – als Kontrapunk­t zu den üblichen Adventvera­nstaltunge­n. Sechs Wochen lang stehen die Zelte im Volksgarte­n und verzaubern den Park in eine fröhlich-kreative Zirkusland­schaft.

In Sachen Neuer Zirkus habe sich in Österreich in den vergangene­n Jahren sehr viel getan, beobachtet Stolpe. Das im vergangene­n Jahr eröffnete Zirkustrai­ningszentr­um im Salzburger Stadtteil Gnigl bringe wichtige Impulse. „Es brodelt so richtig“, spürt die Deutsche eine Aufbruchst­immung in Österreich. In ihrer Heimat ist dieses Brodeln ebenfalls zu spüren. Gerade das ist es, was sie reizt und wo sie in Zukunft anknüpfen möchte, denn eines ist für sie klar: Der Zirkusluft will sie treu bleiben.

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[ Winterfest] Caroline Stolpe entwickelt­e nach dem Tod des Gründers das Winterfest weiter.

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