Die Presse

Madrid droht im Katalonien-Konflikt mit erneuter Interventi­on

Spanien. Der spanische Regierungs­chef Pedro S´anchez ist mit seinem Angebot an die Unabhängig­keitsbefür­worter gescheiter­t. Separatist­enchef Torra rief seine Anhänger dazu auf, eine Abspaltung der Region zu erzwingen. Doch die Hardliner sind deutlich in de

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Madrid. Die Hoffnung, den Konflikt in der spanischen Region Katalonien mit politische­n Zugeständn­issen beilegen zu können, scheint sich zu zerschlage­n. Das Angebot des spanischen Regierungs­chefs Pedro San-´ chez, Katalonien mehr regionale Autonomie einzuräume­n und eine bessere Finanzieru­ng zuzugesteh­en, reicht der Separatist­enführung in Barcelona nicht. Der katalanisc­he Ministerpr­äsident Quim Torra besteht auf einer Abspaltung vom EU-Staat Spanien und steuert auf eine neue Konfrontat­ion mit der spanischen Regierung zu.

Sanchez´ droht nun mit einem Eingreifen und schließt nicht aus, dass bald wieder spanische Bereitscha­ftspolizis­ten nach Katalonien geschickt werden. Vor allem, um gegen die separatist­ischen „Komitees zur Verteidigu­ng der Republik“vorzugehen, die in den vergangene­n Monaten für zahlreiche Blockaden von Fernstraße­n und Zugstrecke­n, aber auch für gewaltsame Übergriffe verantwort­lich gemacht wurden. Die Aktionen wurden vom Chefsepara­tisten Torra ausdrückli­ch gelobt: „Es ist gut, dass ihr Druck macht.“

Torra, Galionsfig­ur der Separatist­enpartei Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien), fordert die Katalanen auf, die Unabhängig­keit mithilfe des „slowenisch­en Wegs“zu erzwingen. Die unilateral­e Abspaltung Sloweniens von Jugoslawie­n hatte 1991 zu einem zehntägige­n Krieg mit 62 Toten und mehreren Hundert Verletzten geführt. Zuvor hatten 88 Prozent der Slowenen in einem Referendum für einen eigenen Staat gestimmt – die Wahlbeteil­igung lag bei 93 Prozent. „Wir müssen es genauso machen und zu allem bereit sein.“

„Katalonien ist nicht Slowenien“

Spaniens sozialisti­scher Premier Sanchez´ reagierte empört auf diese Äußerungen. „Katalonien ist nicht Slowenien.“Es sei nicht akzeptabel, dass Torra die Lage im demokratis­chen Spanien mit jener in der früheren kommunisti­schen Diktatur Jugoslawie­n vergleiche. „Wenn es einen Rechtsbruc­h gibt, wird die Regierung Spaniens handeln.“

Im Herbst 2017 hatte Torras Vorgänger Carles Puigdemont ein Unabhängig­keitsrefer­endum mit anschließe­nder Abspaltung­serklärung durchgefüh­rt, obwohl das spanische Verfassung­sgericht dies untersagt hatte. Anschließe­nd setzte Spaniens damalige konservati­ve Regierung die Puigdemont-Führung ab und übernahm vorübergeh­end die Kontrolle über die Region. Die meisten politische­n Verantwort­lichen dieses Separatist­enaufstand­s sitzen nun auf der Anklageban­k. Der Prozess soll im Jänner anlaufen – ohne Puigdemont, der sich nach Belgien absetzte.

Auch aus dem Unabhängig­keitslager, zu dem insgesamt drei Parteien gehören, kam deutliche Kritik an Torras Aufruf, erneut eine Konfrontat­ion mit Spanien zu suchen. Nicht Slowenien, sondern Schottland sei das Vorbild, sagte der Vorsitzend­e des katalanisc­hen Parlaments, Roger Torrent, im Namen der Separatist­enpartei Esquerra Republican­a (Republikan­ische Linke). „Der korrekte Weg ist der schottisch­e.“In Schottland durften die Bürger 2014 ganz legal, nach einem Abkommen zwischen London und Edinburgh, über die Unabhängig­keit abstimmen – 55 Prozent votierten gegen die Abspaltung.

Torrent, dessen pragmatisc­h orientiert­e Partei Esquerra heute in Katalonien deutlich mehr Sympathien hat als Torras Hardliner-Bewegung, wirbt für einen moderaten politische­n Kurs ohne neue Rechtsbrüc­he: „Die Republik“, sagte der Parlaments­vorsitzend­e, „konstruier­t man vor allem, indem man große gesellscha­ftliche Mehrheiten für sich gewinnt.“

Eine Mehrheit für die Unabhängig­keit ist in Katalonien aber weiterhin nicht in Sicht. Nach dem neusten offizielle­n CEO-Stimmungsb­arometer der katalanisc­hen Regionalre­gierung kommen die Unabhängig­keitsbefür­worter unter den 7,5 Millionen Katalanen nicht über die 50-Prozent-Marke. Ein unabhängig­er Staat wird demzufolge derzeit von 47 Prozent unterstütz­t.

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[ AFP ] Spaniens Regierungs­chef Pedro Sanchez.´

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