Lässt Erdo˘gan foltern?
Türkei. Einer Rechercheplattform zufolge werden GülenAnhänger in Geheimgefängnisse verschleppt.
Von der Straße weggezerrt und an einen geheimen Ort gebracht: Zwei Männer aus der Türkei geben gegenüber deutschen Medien und der Rechercheplattform „Correctiv“unabhängig voneinander an, schwer gefoltert worden zu sein. Die Peiniger hätten sie sexuell belästigt, laufend geschlagen, lange mit lauter Militärmusik beschallt oder auch ihre Familien bedroht.
Für ihre Recherchen hat die Plattform eigenen Angaben zufolge nicht nur mit Betroffenen gesprochen, sondern auch Dokumente und Überwachungsvideos ausgewertet. Den Männern warfen die Behörden vor, Anhänger des Predigers Fethullah Gülen zu sein, den die Regierung in Ankara bezichtigt, hinter dem gescheiterten Putschversuch zu stecken. Die Männer hätten sich nach langer Tortur zum Schein bereit erklärt, als „anonyme Zeugen“gegen andere aussagen zu wollen – das sei schließlich auch das Ziel der Ge- walt gewesen. Zwischenzeitlich hätten sich die beiden nach Deutschland abgesetzt. Die Regierung in Ankara hat sich bisher zu den schweren Vorwürfen nicht geäußert.
„Wir müssen davon ausgehen, dass das systematisch ist“, sagte jedenfalls Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch (HRW) Deutschland, zum ZDF. „Wir wissen von sehr viel mehr Fällen, aber die haben wir nicht veröffentlicht, weil die Leute Angst haben, darüber zu sprechen.“Menschenrechtsorganisationen wie HRW seien eine Reihe von Fällen zugetragen worden. Aber auch der türkische Menschenrechtsverein IHD berichtet von Folter und zeigt sich überzeugt davon, dass der Geheimdienst hinter den Entführungen steckt. Etliche Betroffene seien mit einem schwarzen Transporter entführt, einige von ihnen nach langer Zeit wieder freigelassen worden. Es gebe auch Fälle von Selbstmord. (red.)