Was die EU Theresa May bieten kann
Brexit. Die britische Regierungschefin tourt durch EU-Hauptstädte, um ihren Austrittsdeal zu retten. Die Europäer sind prinzipiell hilfsbereit – schließen aber substanzielle Zugeständnisse aus.
Ist es Wahnsinn, Methode – oder gar beides? Angesichts der gestrigen Blitztournee von Theresa May durch drei europäische Hauptstädte ist die Frage nach der Brexit-Strategie der britischen Premierministerin dringlicher denn je. Nachdem May die für den gestrigen Dienstag avisierte Abstimmung im britischen House of Commons über den EUAustrittsvertrag aufgrund fehlender Mehrheit kurzfristig absagen ließ, versucht sie nun, einen besseren Deal herauszuschlagen.
Gestern machte May in Den Haag, Berlin und Brüssel halt. Die Vorzeichen waren alles andere als günstig, denn ihre Gastgeber machten im Vorfeld der Gespräche klar, dass das vertragliche Angebot der EU an Großbritannien definitiv sei. „Das ist der einzige Deal“, sagte etwa EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, während der deutsche Europa-Staatsminister, Michael Roth, feststellte, ihm fehle derzeit „die Fantasie, wo und wie wir noch etwas ändern können oder sollten“.
Ganz so verfahren ist die Lage allerdings nicht. Die EU hat mindestens vier Register, die sie ziehen könnte, um May zu unterstützen – ob diese Maßnahmen in London als hilfreich angesehen würden, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Was also kann die Europäische Union der bedrängten britischen Premierministerin bieten?
1
Die naheliegendste Hilfe ist verbaler Natur – nämlich die unmissverständliche Klarstellung, dass die EU für substanzielle Nachverhandlungen des britischen Austrittsabkommens nicht zu haben ist. In diese Kerbe schlugen gestern alle Gesprächspartner Mays. Problematisch an diesem Ansatz ist allerdings, dass ein Teil der britischen Abgeordneten an gar keinem Deal interessiert ist und einen harten Bruch mit Brüssel sucht. Hartgesottene EU-Gegner lassen sich so nicht beeindrucken. Um Skeptiker auf ihre Seite zu ziehen, muss Theresa May den Eindruck erwecken, sie habe wie eine Löwin für einen besseren Deal gekämpft. Der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag bietet die geeignete Bühne für einen Schaukampf – Ratspräsident Donald Tusk deklarierte den morgigen Teil des Treffens bereits als Brexit-Gipfel. Was noch benötigt wird, sind kosmetische Zugeständnisse.
3
Spielraum bietet die dem Austrittsvertrag beiliegende Absichtserklärung über die zukünftigen Beziehungen EU–Großbritannien, die rechtlich nicht bindend ist – und folglich ohne größere Probleme umgeschrieben werden kann. Ein möglicher Annex wäre die Beteuerung, dass die EU einen Freihandelsvertrag mit Großbritannien anstrebe und deshalb nicht vorhabe, ihre rechtlichen Möglichkeiten auszureizen, um die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland gegen den Willen Londons offen zu halten. Auch ein angestrebtes Zieldatum für den Abschluss eines Freihandelsabkommens könnte in die Absichtserklärung aufgenommen werden.
4
Das wohl größte Problem für May ist die Tatsache, dass der Austrittsvertrag eine Zollunion EU–Großbritannien als Sicherheitsklausel eingebaut hat, um eine Rückkehr der Grenzkontrollen in Irland zu verhindern – was die britischen Brexit-Befürworter nicht akzeptieren wollen. Dieses Problem ließe sich – sofern die EU-27 immer noch dafür zu haben sind – durch die Rückkehr zur ursprünglich von der EU favorisierten Fassung des Austrittsvertrags umschiffen, der als „Backstop“lediglich eine Zollunion mit Nordirland vorgesehen hatte. Der unfreiwillige Verbleib des gesamten Vereinigten Königreichs in einer Zollunion mit der EU wäre damit vom Tisch – allerdings um den Preis der Einführung von Zollkontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien.
Der Haken an dieser Option: Die nordirische Unionistenpartei DUP, die Mays Regierung die Mehrheit im Unterhaus sichert, ist dezidiert gegen eine Ungleichbehandlung ihres Landesteils.