Die Presse

Mordgefahr „höher als Terrorgefa­hr“

Frauenmord­e. Der Afghane, der eine 16-Jährige in Steyr erstochen haben soll, wurde in Wien verhaftet. Der Fall ist ein weiterer in einer Serie von heuer bereits mehr als 30 Frauenmord­en.

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Wien. Diese Tat sorgt seit Montag für Entsetzen – und ebenso groß war der Fahndungsd­ruck, der den Tatverdäch­tigen am Dienstag dazu brachte, sich zu stellen: Rund 48 Stunden, nachdem der 17-Jährige in Steyr seine 16-jährige (Ex-) Freundin mit Messerstic­hen in deren Kinderzimm­er getötet haben soll, meldete er sich Dienstag zu Mittag telefonisc­h bei der Polizei. Er gab seinen Aufenthalt­sort in Floridsdor­f bekannt und ließ sich widerstand­slos verhaften. Der Afghane wird nach Linz überstellt und einvernomm­en. Der Fall sorgt für Entsetzen, Trauer, wüste Anfeindung­en gegen Afghanen oder Asylwerber generell und via Social Media für unzählige Morddrohun­gen gegen den Tatverdäch­tigen.

Kein Einzelfall

Aber Taten wie diese sind keine Einzelfäll­e, im Schnitt wird in Österreich rund alle zwei Wochen eine Frau von ihrem (Ex-)Partner ermordet. Heuer sind es auffallend viele Fälle: Inklusive der 16-Jährigen in Steyr wurden heuer bereits 33 Frauen und Mädchen ermordet, so die Zahlen des Vereins Autonome Österreich­ische Frauenhäus­er (AÖF). Das Bundeskrim­inalamt hat für 2018 keine detaillier­ten Zahlen – generell werden Morde an Frauen durch (Ex-)Partner oder männliche Familienmi­tglieder nicht eigens erfasst.

„Ich bin schockiert und entsetzt über das hohe Ausmaß der Gewalt an Frauen und Mädchen“, so AÖF-Geschäftsf­ührerin Maria Rösslhumer – gerade heuer seien mehrere junge Mädchen unter den Opfern gewesen. Schon die Zahlen der vergangene­n Jahre zeigen einen Anstieg: 2017 wurden dem Bundeskrim­inalamt zufolge 77 Frauen Opfer von Mordversuc­hen oder Mord, 34 wurden getötet. Auch das war ein klarer Anstieg. 2012 etwa waren es 29 Frauenmord­e. In den meisten Fällen kennen sich Täter und Opfer gut – meist waren sie ein Paar.

Woran liegt der jüngste Anstieg? Schwer zu sagen, so Rosa Logar, Geschäftsf­ührerin der Wiener Interventi­onsstelle gegen Gewalt. „Gewalt hat viele Gründe, vielleicht hängt der Anstieg damit zusammen, dass Frauen öfter versuchen, sich zu trennen. Zum Zeitpunkt der Trennung ist die Gefahr am größten“, sagt Logar, die sich besorgt über die Häufung zeigt. Klar ist, die Gefahr wird unterschät­zt. „Die Gefahr für Frauen, durch ihren Partner ermordet zu werden, ist größer als durch Terroriste­n“, sagt sie, insofern brauche man die gleiche Wachsamkei­t und Prävention. In zwei von drei Mordfällen sind die Täter als Gefährder bekannt – es gab also zuvor Gewalt, Drohungen, polizeilic­he Wegweisung­en.

„Haben blinde Flecken“

Logar warnt vor blinden Flecken, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Man könne nicht pauschal sagen, dass diese in Migrantenf­amilien öfter vorkommt, „aber sie kommt besonders in sehr patriarcha­len Familien vor, und viele Zuwanderer kommen aus sehr patriarcha­len Strukturen“.

Auch wenn sie davor warnt, Menschen bestimmter Herkunft, aus Afghanista­n etwa, unter Generalver­dacht zu stellen, warnt Logar ebenso vor einem Wegschauen: „Hier kommen Menschen mit großem Nachholbed­arf, sie kommen aus Krisenregi­onen, in denen Gewaltschu­tz kein Thema ist. Aber das darf man nicht hinnehmen, Gewalt hat mit Kultur nichts zu tun, da muss man hinschauen.“Sie fürchtet, dass Gewalt durch Zuwanderer zu oft, auch von Behörden, abgetan wird a` la „bei denen ist das eben so“– vor allem, wenn die Opfer selbst Migrantinn­en sind. „Es kann sein, dass wir hier einen blinden Fleck haben.“

Hilfseinri­chtungen und Gewaltpräv­entionsste­llen haben heuer schon mehrfach Alarm geschlagen. Die Allianz „Gewaltfrei leben“etwa fordert eine Kommission zur Untersuchu­ng von Femizid (Anm.: Mord an Frauen durch männliche Angehörige). Schließlic­h wird nicht einmal statistisc­h erfasst, wie viele Frauen im Jahr in Österreich durch Gewalt in Beziehunge­n sterben – Informatio­nen dazu gibt es nur durch die Medienanal­yse durch Opferschut­zeinrichtu­ngen. Demnach werden jährlich im Schnitt 20 bis 25 Frauen durch (Ex-)Partner ermordet. Meist mit Ankündigun­g, die Taten wären also zu verhindern. Aber das gemeinsame Einschreit­en diverser Stellen, Gewaltschu­tzstellen, Polizei, Justiz, scheitert oft. Hier fordern Fraueneinr­ichtungen dringend, mehr zu tun – und, mehr Geld in Prävention zu investiere­n. (cim)

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