Die Presse

2600 Milliarden sind erst mal genug

Euro. Der Europäisch­e Gerichtsho­f stellt fest: Die Europäisch­e Zentralban­k darf, was sie längst tut. Das Urteil war zu erwarten. Jetzt kommt die Kür: Die EZB muss den Geldhahn zudrehen, vorsichtig.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wien/Luxemburg. Oft ist es besser, um Verzeihung zu bitten, als um Erlaubnis zu fragen. Das Zitat stammt von der amerikanis­chen Computerpi­onierin Grace Hopper. Im Frankfurte­r Tower der Europäisch­en Zentralban­k hat man sich daran gehalten und 2015 ein gewaltiges Programm gestartet, um Geld in die Märkte zu pumpen – ohne die Gerichte vorher um Erlaubnis zu fragen. Einige Bürger aus Deutschlan­d sahen das Mandat der EZB verletzt und klagten. Seit Dienstag aber wissen wir: Die EZB darf, was sie längst tut. Das sagt der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH), die oberste Instanz. Die Zentralban­k wird also nicht um Verzeihung bitten müssen. Dass das Urteil im Sinne der EZB ausfallen würde, war zu erwarten. Dennoch hat es weitreiche­nde Folgen.

Denn der Spruch der Luxemburge­r Richter normalisie­rt ein Instrument, das vor zehn Jahren noch undenkbar war: Quantitati­ve Easing, den Kauf von Staatsanle­ihen und anderen Wertpapier­en zu geldpoliti­schen Zwecken. Jetzt steht fest: Die Krise hat alles verändert. In Deutschlan­d, wo die Bundesbank in offener Opposition zu dieser neuen Form der Geldflut steht, wird das Urteil kaum für Begeisteru­ng sorgen. Auch Österreich­s Notenbankc­hef Ewald Nowotny zeigte sich skeptisch. Aber die Richter haben gleich doppelt für die Stabilität der Eurozone gesorgt. Erstens, weil ein Nein aus Luxemburg schlicht eine Katastroph­e gewesen wäre. Die Reaktion der Märkte hätte eine neue Krise auslösen können. Und zweitens, weil jetzt klar ist, dass die EZB auch bei der nächsten Krise die Bazooka auspacken kann. Mit einer Bedingung: Die Krise darf nicht zu früh kommen. Denn zuerst muss der Ausstieg gelingen.

Keine Staatsfina­nzierung

Schon bei der Sitzung an diesem Donnerstag erwarten die Analysten hierzu ein Signal aus Frankfurt. Laut Plan soll das Ankaufprog­ramm beendet werden und – erst mal – 2600 Milliarden nicht übersteige­n. Das ist der Wert jener Anleihen, die die EZB seit 2015 in ihre Bücher genommen hat. Das erklärte Ziel: Bekämpfung der Deflations­gefahr und Wahrung der Preisstabi­lität. Obwohl die EZB vor allem Staatsanle­ihen gekauft hat, handelt es sich in den Augen der Notenbanke­r nicht um illegale Staatsfina­nzierung, weil a) nach einem festgelegt­en Schlüssel gekauft wurde, nicht ausgericht­et am Finanzbeda­rf der Staaten, und b) keine schlechten Papiere wie etwa griechisch­e gekauft wurden. Die Richter vom EuGH bestätigen auch diese Sicht und geben der EZB Rückendeck­ung.

Unklar ist aber weiterhin, was mit den auslaufend­en Anleihen passieren wird. Aktuell gehen die meisten Analysten davon aus, dass die EZB das Geld reinvestie­ren wird. Heißt: Noch zieht sich die Notenbank keineswegs vom Anleihenma­rkt zurück, die Größe ihrer Präsenz bleibt erstmal gleich. Dafür will man sich nun ernsthaft dem Thema Zinserhöhu­ng zuwenden. Sollte am Donnerstag das Ende des Anleihenpr­ogramms endgültig beschlosse­n und eine Zinserhöhu­ng avisiert werden, dürfte das den Eurokurs heben.

Es wäre ein historisch­er Termin: Sechs Jahre nach der europäisch­en Schuldenkr­ise würde die EZB den Weg in Richtung geldpoliti­scher Normalität einschlage­n. Anders als von vielen Kritikern be- fürchtet, ist es durch die Geldschwem­me bisher auch nicht zu einer starken Inflation gekommen.

Im Gegenteil: Die Teuerung ist im Euroraum gerade mal auf rund zwei Prozent gestiegen und liegt damit im Rahmen dessen, was die EZB sich selbst als Ziel gegeben hat, um Preisstabi­lität zu erreichen. An dieser Front könnte sich in den kommenden Monaten aber noch etwas tun, sagt Analyst Lee Hardman von der japanische­n Bank MUFG: „Die starken Daten zu den Löhnen sollten der EZB zeigen, dass der Inflations­druck sich langsam aufbaut, und sie auf dem Weg in die Normalität bestärken.“Cagdas Aksu von Barclays erwartet vom EZB-Rat einen „vorsichtig selbstsich­eren Ton“.

Gleichzeit­ig wird die Notenbank wohl neue, langfristi­ge und billige Kredite an Banken ankündigen, um ihnen die Rückkehr in die Normalität so angenehm wie möglich zu gestalten – damit es nicht zu einer neuen Krise kommt.

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