Das Herz des Autos schlägt in Asien
E-Mobilität. Europas Autobauer geraten in Abhängigkeit von ihren Batteriezellenlieferanten in China und Korea. Dabei könnte sich eine Produktion zu Hause sehr wohl rechnen, zeigt BCG.
Zwanzig Milliarden Euro: Verträge in diesem Umfang schließt auch ein Weltkonzern wie Daimler nicht alle Tage ab. Bis 2030 hat sich der deutsche Autobauer damit Batteriezellen für E-Autos gesichert. Ausschließlich durch Zukauf aus Asien. Das Volumen soll zeigen: Auch Stuttgart setzt darauf, dass dem Elektroantrieb die Zukunft gehört. Das Herz des E-Autos aber ist die Batterie. Und dieses Herz schlägt künftig in Fernost. „Da muss man sich natürlich Sorgen machen“, sagt Daniel Küpper, Branchenexperte bei BCG (Boston Consulting Group).
Die asiatischen Hersteller haben schon jetzt einen Know-howVorsprung von sieben Jahren und lernen laufend hinzu. Damit verzichtet der Westen nicht nur auf Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Man gerät auch in eine gefährliche Abhängigkeit. So sehen es die EUKommission und die deutsche Regierung, die händeringend für eine europäische Produktion werben und dafür mit Milliarden an Förderungen winken. Aber die Industrie geht andere Wege. Auch der größte Zulieferer, Bosch, und der Technologiekonzern Siemens.
„Weil es hier um riesige Investitionen geht“, sagt Küpper. Die Nachfrage nach Batteriezellen steigt zwar, aber das Angebot wächst viel schneller. Chinesen (mit dem Marktführer CATL) und Koreaner (mit LG Chem, SK Innovations und Samsung) liefern sich ein Wettrennen um die größten Fabriken mit den niedrigsten Stückkosten. Die BCG-Experten rechnen mit Überkapazitäten von 40 Prozent bis 2021. Das weckt Erinnerungen: Eine ähnliche Unterauslastung führte schon bei Solarpaneelen zu einem Preisverfall um mehr als die Hälfte. Er trieb europäische Hersteller mit ihren hohen Lohnkosten in den Ruin. Die Chinesen übernahmen den Markt.
In diese Falle wollen Volkswagen, BMW und Daimler nicht tappen. Dazu kommt die Unsicherheit, „was künftig die führende Technologie sein wird“. Die besten Chancen, die Lithium-Ionen-Batterie abzulösen, hat die Feststoffbatterie. Wenn sie vielleicht 2025 produktionsreif ist, müsste man Werke umbauen, die ihre Investitionen noch längst nicht eingespielt haben. Also begnügen sich die Autobauer lieber weiterhin damit, in eigenen Werken die Zellen zu Modulen und diese zu Batteriepacks zusammenzubauen. Damit können sie immerhin Platzbedarf, Kühlung und Laderate selbst steuern. Zudem hat Daimler nun vereinbart, dass die Lieferanten die jeweils neueste Technologie liefern müssen. Und die Preise fixiert.
Denn wenn feststeht, dass trotz großen Bedarfs nur einige wenige Player übrig bleiben, könnten sie die Preise diktieren – womit diese nach der erwarteten Delle kräftig steigen könnten. Dagegen sichert man sich bei Daimler (und BMW) ab – und lässt es damit bewenden. Aber die deutschen Autokonzerne unterliegen für Küpper einem „Denkfehler“: „Sie haben nicht berücksichtigt, wie ein westeuropäischer Produzent trotz hoher Lohnkosten wettbewerbsfähig sein kann.“Es gehe eben nicht nur um Größenvorteile und laufendes Da-
hat mit seinen asiatischen Lieferanten Verträge für Batteriezellen im Wert von 20 Mrd. Euro bis zum Jahr 2030 abgeschlossen. Damit schwinden die Chancen, dass das Herz des künftig dominierenden E-Autos von europäischen Herstellern mit ihrem eigenen Know-how gefertigt wird. Experten warnen vor einer gefährlichen Abhängigkeit. zulernen, sondern auch um überlegene Fertigungstechnologie. Und da habe Europa noch einen Vorsprung, betont sein BCG-Kollege Sebastian Wolf: „Viele der Kernkomponenten in den asiatischen Fabriken stammen von deutschen Maschinenbauern“, die auch an Tesla in die USA liefern. Wie man diesen Vorsprung zur „Fabrik der Zukunft“ausbauen kann, haben die beiden Experten untersucht.
Worum geht es? Jetzt schon bemüht sich die Branche, die Energiedichte in den Zellen zu erhöhen. Aber es sei mehr an Einsparungen möglich, rechnet die Studie vor: Es kann schneller und genauer gehen, mit besserer Materialausbeute und weniger Ausschuss – vom Beschichten und Trocknen der Kathoden bis zum Reifen der Zellen. Wie? Vor allem durch stärkere Datennutzung.
Freilich würden die Asiaten diese Verbesserungen bald kopieren. Aber das sei nicht so schlimm. Denn wenn die Produktionskosten für alle stark sinken, verlieren sie an Relevanz. Umso stärker ins Gewicht fallen dann unverändert hohe Kosten für den weiten Transport der schweren Batteriezellen. Womit eine Fertigung vor Ort vorteilhafter ist. Eben deshalb planen die Chinesen und Koreaner schon Werke in Polen, Ungarn und sogar Ostdeutschland. Umso wichtiger wäre aus Sicht der Studienautoren ein rascher Start für eine rein europäische Batterieproduktion.
Aber wer soll vorpreschen? Um die vier Mrd. Euro kostet eine „Gigafabrik“, wie sie Tesla in die Wüste von Nevada stellt. Sie kann mit einer jährlichen Produktionskapazität von 35 Gigawattstunden rund 700.000 Autos mit Batteriezellen versorgen. Eine kleinere Version mit 20 GWh kommt immer noch auf zwei bis drei Mrd. Das sei selbst für einen Konzern wie Bosch mit 80 Mrd. Euro Umsatz allein nicht zu stemmen. „Es müsste sich ein starkes Konsortium bilden“, sagt Wolf. Am besten mit Partnern und Förderungen aus mehreren Staaten. Aber mit dem DaimlerDeal schwinden die Chancen für einen solchen „Batterien-Airbus“.