Krankenstand: Bis zu 13 Prozent machen einmal im Jahr blau
Fehlzeitenreport. Zwischen 300.000 und 550.000 Österreicher dürften einmal im Jahr ungerechtfertigt in Krankenstand gehen.
Mit dem Umbau des Sozialsystems wollen ÖVP und FPÖ „die Leute aus der sozialen Hängematte holen“, wie ÖVP-Klubobmann August Wöginger ankündigte. So wurden die Krankenkassen angewiesen, die Kontrollen bezüglich Krankenstandsmissbrauch zu verschärfen. Doch wie viele „Blaumacher“gibt es in Österreich überhaupt? Damit beschäftigt sich der aktuelle Fehlzeitenreport, der vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) für den Hauptverband der Sozialversicherungsträger erstellt wurde. Relativ unspektakulär ist der allgemeine Teil des Berichts. Demnach ist die Zahl der Krankenstände nahezu unverändert geblieben. 2017 verbrachten die Beschäftigten im Jahresverlauf durchschnittlich 12,5 Kalendertage im Krankenstand. Auch bei den psychisch bedingten Krankenständen gab es kaum Veränderungen. Gesunken ist die Zahl der Arbeitsunfälle.
Interessant ist hingegen das Schwerpunktkapitel, bei dem es unter anderem über den „Absentismus“geht. Darunter wird eine vorgetäuschte Erkrankung verstanden. Obwohl dazu sehr wenig Befunde vorliegen, geht aus österreichischen Umfrageergebnissen hervor, dass – grob geschätzt – sieben bis 13 Prozent der Beschäftigten im Jahresverlauf mindestens einmal einen ungerechtfertigten Krankenstand beansprucht haben dürften. Nimmt man die Angaben der Statistik Austria über die Zahl der Erwerbstätigen als Basis, han- delt es sich um eine Bandbreite von 298.200 bis 553.800 Personen.
Wie schneidet Österreich hier im internationalen Vergleich ab? Die Wifo-Autoren haben für den Bericht Umfragedaten aus Deutschland unter die Lupe genommen. „Deutschland hat sehr ähnliche Krankenstandsregelungen und mit Österreich auch weitere institutionelle Gemeinsamkeiten“, heißt es im Bericht.
Die jüngste verfügbare Umfrage wurde im Auftrag einer deutschen Krankenkasse durchgeführt. Auf die Aussage „Ich habe in den letzten zwölf Monaten an mindestens einem Tag selbst blau gemacht“antworteten acht Prozent der Befragten mit Ja. Weitere zehn Prozent wählten die Antwortkategorie „eher ja“. Die Studienautoren haben sich auch noch andere Umfragen aus Deutschland angesehen. Je nach Abgrenzung und Fragestellung reicht die Bandbreite von weniger als zehn Prozent bis knapp 20 Prozent der Beschäftigten. Erhebungen zeigen, dass Absentismus bei den Jüngeren tendenziell stärker anzutreffen ist als bei den Älteren.
Um den Absentismus einzuschränken, verschickten die Gebietskrankenkassen im Vorjahr rund 1,1 Mio. Vorladungen zum ärztlichen Dienst. Darüber hinaus fanden fast 93.000 Kontroll- und Hausbesuche statt. Das bedeutet, dass 2017 im Schnitt mehr als ein Fünftel der Krankenstandsfälle der Beschäftigten und Arbeitslosen einer Form von Kontrolle unterzo- gen wurde. Zwischen den einzelnen Gebietskrankenkassen bestehen hinsichtlich des Umfangs und der Gewichtung der Kontrollmaßnahmen jedoch zum Teil erhebliche Unterschiede. So haben beispielsweise die niederösterreichische und die burgenländische Gebietskrankenkasse die stichprobenartigen Hauskontrollen bei Krankenständen weitgehend abgeschafft, während dieses Instrument in Tirol und Kärnten überproportional stark eingesetzt wird.
„Aus den vorliegenden Auswertungen der Gebietskrankenkassen sind keine Rückschlüsse auf die Verbreitung von Absentismus möglich“, schreiben die Studienautoren. Denn Beanstandungen und Verwarnungen werden nicht einheitlich erfasst. „Der Austausch zwischen den Trägern und die gemeinsame Evaluierung der bisher durchgeführten Kontrollmaßnahmen könnten einen Beitrag leisten, um sowohl die Effektivität als auch die Effizienz der Kontrollen zu erhöhen“, schreiben die Wifo-Autoren.
Der Bericht geht auch kurz auf die Rolle der Ärzte ein. „Bei objektiv nicht überprüfbaren Symptomen, wie beispielsweise Rückenschmerzen, sind die Mediziner auf die Aussagen ihrer Patienten angewiesen und können diese nur bedingt hinterfragen bzw. nur anzweifeln, indem sie das Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten gefährden“, heißt es in dem Bericht. Hier schlagen die Wifo-Autoren unter anderem einheitliche Richtlinien für den Krankschreibungsprozess vor.